Ist eine unterschiedliche Bewertung von Kriegsverbrechen, aufgrund von welcher Seite sie verübt worden, überhaupt akzeptabel?
Am Beispiel des 2. Weltkrieg:
Von den Kriegsverbrechen, die durch die Wehrmacht und SS im WK2 verübt worden, hat jeder gehört und kennt meist auch mehrere dieser Taten, aber die Kriegsverbrechen die durch die Soldaten der Alliierten an Wehrmacht, SS, aber auch an Zivilisten, begangen wurden ist kaum etwas bekannt und wird auch nicht an Schulen behandelt.
Dazu muss gesagt werden, daß bei den Alliierten (mit Ausnahme der Sowjetunion) kein Fall bekannt ist, in dem Kriegsverbrechen von höheren Offizieren oder Generälen befohlen worden - ganz im Gegensatz zum Dritten Reich.
Die Taten der Alliierten sind in unserem Bewusstsein aber nicht auf der gleichen Stufe, wie die der Deutschen.
Sie scheinen weniger menschlich/moralisch/gesellschaftlich verwerflich sein.
Kann, sollte oder muss man dort mit zweierlei Maß messen oder sind sie -auch der damaligen Situation geschuldet- nachvollziehbarer und verständlicher?
Sollten die Taten des (moralischen) Siegers nicht genauso behandelt, verurteilt und geächtet werden wie die, des Verlierers?
Sendet dies nicht das falsche Signal an andere (aktuelle) Konflikte?
Es geht mir nicht um das Verhältnis in dem die Kriegsverbrechen zueinander stehen.
Sollte eine Gesellschaft mit hohen Ansprüchen an Moral, Menschlichkeit, Gleichheit und Freiheit nicht selbstkritischer mit den eigenen Verfehlungen umgehen?
Allein schon um sich deutlich von solchen Regimen abgrenzen zu können.
11 Antworten

Sie scheinen weniger menschlich/moralisch/gesellschaftlich verwerflich sein.
no shit sherlock. Wir haben versucht, ein ganzes Volk auszulöschen.
Sollten die Taten des (moralischen) Siegers nicht genauso behandelt, verurteilt und geächtet werden wie die, des Verlierers?
Ja. Nach derselben Skala.
Aber die Alliierten haben halt keinen Genozid begangen
Sendet dies nicht das falsche Signal an andere (aktuelle) Konflikte?
Da in der Ukraine wieder ein Volk vernichtet werden soll: absolut und definitiv nein.

Aber gehört nicht jedes Verbrechen, egal in welchem Ausmaß, verurteilt
Ja, angemessen der jeweiligen schwere der Tat. Genau wie bei "normalen" Verbrechen: es gibt keine pauschale Strafe für alle Verbrechen sondern je nach Tat, Umständen und der Reaktion des Täters vor Gericht wird ein individuelles Strafmaß festgelegt.
Und geplanter und organisierter Genozid ist nunmal ganz oben. Schlimmer geht nicht.
Und das ist auch richtig und wichtig so
Ist man als moralisch/ethisch/demokratische Gesellschaft nicht dazu verpflichtet, zu jedem Zeitpunkt seine höheren Ideale unter Beweis zu stellen zu können?
Dazu zählt auch ein sense of scale, was die schwere eines Verbrechens angeht O.o das ist dir klar?

Ok, das überzeugt mich jetzt mal ein bisschen.
Ich habe halt den Eindruck, daß dort ein ziemliches Ausmaß an Doppelmoral angewand wurde. Zum Beispiel auch bei afroamerikanischen Soldaten, die in Frankreich völlig anders behandelt wurden, als in ihrer Heimat - kämpfen für ihr Land gegen (u.a.) Rassismus, während zu Hause die Apartheid wartet.

Das ist jetzt aber ein ganz anderes Thema. Jetzt sind wir bei Rassismus.
Alles, was Menschen machen, ist subjektiv. Immer. Weil wir subjektiv sind. Siehst du auch daran, dass Strafen sich ändern können, wenn revision eingelegt wird. Die Tat ist schließlich dieselbe, nur ein anderer Richter fällt möglicherweise ein anderes Urteil.
Aber trotzdem ist Betrug etwas anderes als dreifacher Mord. Die Skala, auf der sich Strafen (auch bei verschiedenen Richtern) bewegen, ist ganz anders.
Und so ist ne vergewaltigung einer Zivilistin genauso ein Kriegsverbrechen wie das zerstören eines Flüchtlingskonvois mit dutzenden Toten. Genau wie ein Vergewaltiger bei uns eine niedrigere Strafe erwartet als ein serienmörder.

Danke, das ist jetzt mal eine Antwort, mit der ich was anfangen kann.
Manchmal habe ich das Gefühl ich missverstehe den Sinn dieses Portals:
Mich beschäftigt eine Frage und ich erhoffe mir durch Antworten, eine andere Sichtweise darauf. Meistens muss man sich aber nur für seine Fragen rechtfertigen....
merci

Es ist generell so, dass allein schon die Masse der Kriegsverbrechen beider Seiten komplett unterschiedlich waren. Ein Berg vs. ein Kiselstein.
Dazu muss man auchnoch anerkennen, dass sich die Aliierten verteidigten. Das ist dann auch nochmal etwas anderes. Es kommen sicher auch im Ukrainekrieg Kriegsverbrechen auf Seiten des Opfers vor aber irgendwo hat man dann doch etwas Verständnis für die Ukrainer die Nachbarn, Freunde, Eltern ect. verloren haben und sich 'rächen' wollen. Selbst wenn das auch nicht meiner Meinung von Gerechtigkeit entspricht kann man ja zumindest Verständnis haben wie gesagt.

Die Sieger schonen sich immer selber.
Nehmen wir an die Nazis hätten 1945 gewonnen. Du kannst Dir leicht ausmalen, wie dann die Geschichtsschreibung ausgesehen hätte. Es käme wohl kaum ein Wort über eigenen Verbrechen.
Ueber die russischen Vergehen gibt es recht viele Informationen. Die anderen Allierten haben Kriegsverbrechen begangen, keinen Zweifel. Doch so unmenschlich und grausam wie die SS und Teile der Wehrmacht waren sie nicht in Ansätzen. Vor allem gegen Zivilisten.

Stimmt, bei einem alternativem Kriegsausgang hätten wir heute ziemlich bizarr anmutende Geschichtsbücher.
Aber liege ich falsch mit meiner Meinung, daß die Werte und Ideale, für die die Alliierten gekämpft haben, auch für sie gelten?
D.h., eigene Verstöße konsequent und selbstkritisch aufarbeiten um sich wirklich und glaubhaft gegen ein menschenverachtendes Regime abgrenzen zu können, egal in welchem Verhältnis?

Also so viel habe ich jetzt in der Schule auch nicht von Kriegsverbrechen der Russen gehört im 2.ten Weltkrieg.
Und Kriegsverbrechen, egal von welcher Seite sollten nie auf unterschiedlichen Stufen stehen.

1. ok, war zu meiner Schulzeit anders.
2. Genau und das sollte nicht so sein.

Die Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht und SS waren System, von oben angeordnet und auch großteils durchgeführt.
Z.b. "Kommissarbefehl" oder der "Kriegsgerichtsbarkeiterlass". Oder den Tod von Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen herbeizuführen.
Auch die Blockade von Leningrad mit 1 Million Hungertote.
Weiters war im Krieg im Osten erklärtes Ziel, die dortige Bevölkerung großteils auszurotten und den Rest zu versklaven.
Den millionenfachen Mord an Juden, Sinti und Roma usw. will ich gar nicht weiter erwähnen, da kein "Kriegsverbrechen".
Die Kriegsverbrechen der westlichen Alliierten waren hingegen Einzelaktionen von Truppenteilen oder Einzelpersonen, die allerdings nicht geahndet wurden.
Wie auch, die jeweilige Regierung wäre davongejagt worden, wenn ihre Jungs dafür, daß sie die Welt von den Nazis befreit haben, dafür vor Gericht kämen.....
Die Kriegsverbrechen der Sowjets sind ein eigenes Kapitel. Aber wenn man weiß, was die Wehrmacht und SS dort angerichtet haben, sind wir eh noch gut weggekommen....
Aber gehört nicht jedes Verbrechen, egal in welchem Ausmaß, verurteilt und geächtet.
Ist man als moralisch/ethisch/demokratische Gesellschaft nicht dazu verpflichtet, zu jedem Zeitpunkt seine höheren Ideale unter Beweis zu stellen zu können?