Guten Morgen. Wie kann man jemanden schützen, der ein Recht auf die Information hat?
Guten Morgen zusammen. Ich befinde mich gerade in einem Dilemma und kann jeden guten Rat dringend brauchen.
Gestern wurde mir eine Information mitgeteilt, die in erster Linie für eine andere Person wichtig ist, die ohne jeden Zweifel auch das Recht auf diese Information hat (es geht darum, dass ein Verwandter im Sterben liegt, und nun der betreffenden Person etwas vererben möchte und das klären möchte noch bevor er stirbt).
Ich möchte diese Person aber schützen, da sie in der Vergangenheit schlimme traumatische Erfahrungen (gerade auch in Verbindung mit dem im Sterben liegenden Angehörigen) durchgemacht hat. Wenn ich der betreffenden Person diese Information über deren im Sterben liegenden Verwandten mitteile, so fürchte ich, dass dies all das wieder aufwühlen würde, was gerade mühsam endlich aufgearbeitet ist. Zum ersten mal im ihrem Leben geht es der betreffenden Person richtig gut und nun kommt so eine Sch...e! Ich fürchte dass sie einen Nervenzusammenbruch erleiden wird, wenn ich auch nur erwähne um wem es geht.
Was kann ich nur tun?
Im Grunde ist es so ähnlich, wie wenn man jemandem, der sich gerade von einem Herzinfarkt erholt, bei dem er dem Tod nur um Haaresbreite entronnen ist und der nun unbedingt Ruhe braucht und von jeder Aufregung und jeder Art Stress ferngehalten werden muss, mitteilen soll, dass sein Haus abgebrannt ist, seine Kinder getötet wurden und sein ganzes Hab und Gut gestohlen wurde.
Kann man so etwas tun? Wie kann man so etwas am schonendsten verpacken um die betreffende Person bestmöglich zu schützen?
Oder kann man die Information vorenthalten, obwohl sie wichtig wäre und die Person das Recht hat sie zu erfahren?
Ich bin gespannt auf eure Meinungen.
18 Antworten

Guten Tag,
das ist wirklich schwer - und vermutlich ist es, wie man es auch immer zu machen versucht, am Ende der falsche Weg. Sagt man nichts, ist man mit der Bürde behaftet, eine wichtige Information vorsätzlich für sich behalten zu haben und sagt man was, ist man der Übermittler einer schlechten Botschaft und womöglich derjenige, der einen Nervenzusammenbruch oder was auch immer mit verursacht hat.
Wie gesagt: Jede Form, die Sache "sauber" zu regeln, dürfte falsch sein und niemanden zufriedenstellen. Egal wie bewusst und wie mild man es formuliert, man wird immer mehr oder weniger der Leo sein, der Buhmann, was auch immer - aber andererseits wäre man das auch, wenn man es für sich behält. Ich meine, irgendwann wird die Person das Ganze ja erfahren - spätestens wenn die Nachricht vom Tod die Runde machen sollte; man kann die Katastrophe bzw. Tag X ja nicht abwenden, es kommt soweit. Und sobald dann klar wird, dass du es ja gewusst hast und für dich behalten hast, macht es die Situation noch viel unangenehmer.
Das kleinere "Übel" besteht, wenn man das so sagen kann, meiner Meinung nach darin mit offenen Karten zu spielen - weil man am Ende wohl dankbarer für eine so wichtige Information ist, als dass man sie aus Vorsicht und mehr oder weniger Nächstenliebe/Rücksicht bzw. Empathie vorenthalten bekommt. Letzteres kann einem nachgetragen werden und auch ich aus meiner Sicht würde es nicht befürworten, wenn jemand mir eine wichtige Nachricht vorenthält - klar ist es gut gemeint, aber hinterher etwas zu erfahren, bei dem man aus welchem Grund auch immer ein Anrecht drauf gehabt hätte es zu wissen, ist noch unangenehmer.
Ich persönlich könnte nicht mit der Bürde leben, jemandem etwas vorenthalten zu haben, das er hätte wissen müssen und das in persönlicher Weise bzw. im internen Bereich wichtig gewesen wäre. Außerdem ist das mit dem Erben doch der Wille dessen, der im Sterben liegt bzw. spürt, dass es dem Ende entgegen geht. Vielleicht gehst du in dich und stellst dir selber die Frage, wie du es wollen würdest bzw. erwarten würdest, wärst du in dieser prekären gesundheitlichen Lage - würdest du die Information wollen oder wäre es dir lieber, wenn man sie dir bewusst verschweigt, wenngleich es ehrlich und gut gemeint ist?
Ich kann dir nur meine Sicht der Dinge mitgeben, wünsche viel Kraft und beende meine Ausführungen (ich hoffe, ich konnte dir helfen mit meinen Erklärungen, die natürlich rein subjektiv sind) mit dem Musikstück "The Calm Before The Storm" von James Last.

Gerne, ich höre das auch gern. Vom selben Album ist auch das Stück "Empty Glasses" sehr schön.

Lieber PS,
da hast du eine Frage, die sehr elementar ist und wo Reaktionen in alle Richtungen denkbar sind. Dass du in keiner einfachen Entscheidungssituation bist, nehme ich dir sofort ab.
Ich bin etwas in mich gegangen, um dir eine stimmige Antwort geben zu können, die sich richtig anfühlt (ich drücke mich damit bewusst unemotional aus, um dir eine Sicht von außen zu erleichtern).
Es geht um die letzte Bitte eines sterbenden Menschen. Da hilft es beim Sich-Zurücknehmen, den Sterbenden nun ohne Bewertung oder Beurteilung wahrzunehmen, einfach als Menschen, der sich bald vor einer höheren Instanz zu verantworten haben wird. Du hast die Rolle eines 'Boten' zugemessen bekommen.
Die Lage erfordert rasches Handeln. Deine Aufgabe in dieser Rolle ist es, die Nachricht so rasch, so neutral und so distanziert wie möglich weiterzugeben, um der Empfängerin eine eigene Entscheidung nach ihrem eigenen Ermessen, aber ohne emotionale Einmischung von außen zu ermöglichen. Wichtig dabei ist außerdem, dass du dich gefühlsmäßig beruhigst und runterfährst - als 'Bote' geht es nicht um deine Entscheidung. Versuch, neutral zu werden (das kann man von außen spüren!).
Wenn sie will, kann sie ja ihre Bitte um Beistand und Beurteilung der Situation äußern. Bedingt durch deine intimen Kenntnisse der Situation aus der Vergangenheit bist du tiefer im Thema, als es ein Überbringer normalerweise wäre.
Diese Nachricht nicht weiterzugeben, könnte bedeuten, eine Last auf sich zu laden, die einige Nummern zu groß ist. Es geht um Gefühle und Beweggründe, Motive und den Umgang mit fremder Schuld und sicher auch um etwas, das menschliche Möglichkeiten übersteigt.
Wenn dieses 'Gesamtpaket' nicht zu einem selbst gehört, sondern zu einem anderen Menschen, egal wie nahe er einem steht, empfände ich es als übergriffig, für diesen anderen zu entscheiden, dass er nichts davon erfahren soll. Jeder Mensch hat einen Anspruch darauf, sich durch Herausforderungen zu entwickeln. Das gehört zum Lebensplan dazu.
Dass du deine Rolle auf liebvolle Weise erfüllst, davon bin ich überzeugt und wünsche dir einen guten Fortgang zum Wohl aller Beteiligten!

Vielen lieben dank für deine guten und hilfreichen Gedanken zu diesem heiklen Thema.

Ich ignoriere sie nicht, ich würde nur gern weitere Vorschläge und Ideen bekommen.
Schau mal, dazu habe ich dies hier geschrieben:
'Deine Aufgabe in dieser Rolle ist es, die Nachricht so rasch, so neutral und so distanziert wie möglich weiterzugeben, um der Empfängerin eine eigene Entscheidung nach ihrem eigenen Ermessen, aber ohne emotionale Einmischung von außen zu ermöglichen. Wichtig dabei ist außerdem, dass du dich gefühlsmäßig beruhigst und runterfährst - als 'Bote' geht es nicht um deine Entscheidung. Versuch, neutral zu werden (das kann man von außen spüren!).'
Du solltest alles Theatralische runterfahren, so 'cool' wie möglich sein und deine innere Beteiligung neutralisieren, um ihr eigenes Denken und Fühlen in dieser Frage zu ermöglichen.
LG

es geht darum, dass ein Verwandter im Sterben liegt, und nun der betreffenden Person etwas vererben möchte und das klären möchte noch bevor er stirbt
Was möchte er klären? Wenn er etwas vererben will, kann er das handschriftlich, mit Datum und Unterschrift, als Testament festhalten. Die Information bekommt der Erbende dann nach dem Tod der Person.
Vielleicht gibt gar keinen Bedarf daran, dass du irgendwelche Informationen weiter gibst. Die beiden können das auch ohne dich regeln, denn eigentlich gib es nichts zu regeln. Oder?

Ich denke, dass es da schon um mehr als nur das Erbe geht. Vielleicht geht es der sterbenden Person auch darum Abbitte zu leisten, sich zu entschuldigen oder womöglich einfach auch nur zu wissen, dass es dem Opfer jetzt gut geht und somit sein Gewissen etwas zu beruhigen.
Wie auch immer, ich habe meiner Schwester (dem Opfer) gestern die Information übermittelt und jetzt liegt es ganz allein an ihr, wie sie sich entscheidet. Und für was immer sie sich entscheiden wird, sie kann sich in jedem Fall darauf verlassen, dass sowohl ihr Mann als auch ich sie voll und ganz dabei unterstützen.

Gut.
Sollte die Lage so sein, dass ein Täter versuchen möchte sein Gewissen zu erleichtern, wäre es eine gute Idee, dass das Opfer schulterzuckend ablehnt dabei zu assistieren. Falls er aber aber eine Form von Schuld-Eingeständnis anbietet, kann das hilfreich sein.
So oder so, deine Unterstützung kann sie gebrauchen und ob sie mit ihm kommunizieren will, wird sie entscheiden müssen.

Ein schönen guten Morgen in die Runde hier allen, heute zum Dienstag.
Wichtige Informationen sollte man immer den Leuten mitteilen, wenn sie etwas bewirken können, die der Person zu gute kommen. Man sollte natürlich behutsam vorgehen und die richtigen Worte wählen.
Es kommt eben immer auch auf den emotionalen Zustand dieser Person an, in welchem Verhältnis man zu dieser Person steht. Manchmal ist Schweigen Gold und man verhindert vielleicht Schlimmeres. Das muss man eben versuchen einzuschätzen, ob man lieber redet oder lieber schweigt.
Ein ruhigen, entspannten und möglichst nicht zu heißen Dienstag, wünscht Opi-Paschulke allen die gern mögen.
Genießt die kühle Luft falls es geregnet hat, passt wieder alle schön auf euch auf und bleibt gesund so gut es geht.
Bild:
https://funpot.net/?id=funpot0000786367&tagid=301


Danke auch dir, lieber Opi, für deine Antwort.
Man sollte natürlich behutsam vorgehen und die richtigen Worte wählen.
Das ist wohl die größte Schwierigkeit dabei.

Ja, man kann viel falsch machen wenn man nicht den richtigen Ton trifft.

Wie du schon schreibst, der Mensch benötigt diese Information, um sich verabschieden zu können und die im Sterben sich befindene Person benötigt dieses noch viel dringender, um in Frieden entschlafen zu können.
Wichtig ist das nachher. Am besten sich mit Psychologen/Psychiater absprechen und eventuell medikamentös unterstützen.
Wenn du es nicht jetzt diesem Menschen erzählst kann es zu spät werden und das wäre mit Sicherheit noch viel unerträglicher.
Als meine Mutter anrief und mich bat schnell vorbei zu kommen, ich hatte einen extrem hektischen Arbeitstag hinter mir, hatte ich ihr versprochen, es am nächsten Morgen zu tun. Da war sie schon gestorben. Ich hatte nicht mehr die Möglichkeit sie lebend zu sehen. Diese letzte Verabschiedung wäre mir sehr wichtig gewesen.
Ich wünsche dir ps1980 viel Kraft und egal wie schwer es wird, alles ist besser, als jetzt zu schweigen.

Vielen Dank für deine Antwort und dass du mir auch mit deiner eigenen Erfahrung weiterhilfst.

Es war mir ein Bedürfnis, denn ich leide nach fast vier Jahren immer noch darunter, dass ich nicht sofort zu ihr gefahren bin. Vater war viel jünger, als er verstarb, doch ich konnte mich verabschieden. Ich habe ihn noch lebend gesehen und direkt mit ihm gesprochen, nicht nur am Telefon. Daher war es viel leichter, den Schmerz zu verarbeiten.

Das tut mir sehr leid für dich.
Meine Schwester und ich konnten uns von unseren Eltern auch nicht verabschieden, weil es in beiden Fällen einfach so schnell gegangen ist (Herzinfarkt). Ich kann zwar nicht gerade sagen, dass mich das so furchtbar belasten würde, aber vielleicht auch deshalb, weil ich einfach weiß, dass ich dazu auch gar keine Chance gehabt hätte und auch weil ich weiß, dass sie in Frieden gestorben sind und gewusst haben dass meine Schwester und ich sie sehr geliebt haben.
Vielen Dank für deine guten und hilfreichen Gedanken zu diesem schwierigen Thema.