Frage zu den Hieroglyphen?

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frage den Lesch: Email: lesch@usm.uni-muenchen.de

Das sog. Ägyptische Alphabet ist eine Auswahl von zwischen 25-30 Einkonsonanten-Zeichen, welche für Touristen benutzt werden, um ihre Namen auf dem Basar zu schreiben, d.h. phonetisch. Oft kommt aber Unsinn heraus, da die Handwerker z.B. bei Christian oder Thomas u.a. das h mit einarbeiten. Solche Namen wie Hughes, Jacques oder Sczceszczyński dürften da noch schlimmer aussehen.
Man kann hier nicht in Kürze alles sagen, wir man Hieroglyphen liest. Dazu gibt es Literatur auch für Nichtägyptologen, die sehr nützlich sind, wie die Bücher von Mark Collier, Zauzich oder Hoeveler-Müller (oder einfach bei Google die Namen und das Wort Hieroglyphen eingeben).

Ganz grob gesagt, sollte man u.à. folgendes wissen:

  1. Die Hieroglyphen sind keine Bilderschrift, sondern sie sind zumeist Zeichen mit Lautwerten. Das Aussehen eines Zeichens stellt in den meisten Fällen keine Bedeutung dar.
  2. Es sind heute annähernd 8000 Zeichen bekannt, von denen aber höchstens bis um die 400 tatsächlich in Gebrauch waren. Die Masse stellen im Grunde Varianten dar, die erst gegen Ende der Hieroglyphenzeit (Ptolemäerzeit) aufkamen.
  3. Es sind Konsonanten bzw. sie sind nur als Konsonanten bekannt, da man die Vokale nicht kennt.
  4. Es gibt ca. 48 Einkonsonanten-Zeichen, von denen zwischen 25 und 30 auf Basaren für Touristen verwendet werden. Also solche wie 𓄿 (a), 𓇋 (i), 𓇌 (i, y), 𓂝 (a, e), 𓅱 (w, u, o), 𓃀 (n), 𓊪 (p), 𓆑 (f), 𓅓 (m), 𓈖 (n), 𓂋 (r), 𓉔 (r), 𓊃 (s, z), 𓋴 (s), 𓈙 (sch), 𓈎 (k, q), 𓃭 (l), 𓎡 (k), 𓎼 (g), 𓏏 (t), 𓂧 (d), 𓍯 (o) - einige der angegeben Bedeutungen sind sehr ungenau und zudem teils irreführend, da es keine eigentlichen Vokale gibt. Beispiel: Das a st in Wahrheit lautlich nur der Stimmansatz, Glottisverschluss genannt, der z.B. gleich 3x hörbar wird in „unabänderlich“ ('un'ab'änderlich). Dieser „Knacklaut“ ist es. Das Küken ist kein u oder o sondern der schwache Konsonant w (wie im englischen). Der Löwe, hier mit L wiedergegeben, wurde vor allem im Neuägyptischen unter den Ramessiden oder der Amarnazeit (Echnaton, Nofretete, Tutanchamun) bis zum Schluss verwendet für das L, ist aber eigentlich ein Zweikonsonsnten-Zeichen, nämlich rw, welches man hilfsweise „ru“ ausspricht. Oder das letzte Zeichen für o ist in Wahrheit auch ein zweikonsonantiges Zeichen, nämlich „w3“, was hilfsweise „wa“ (englisches w) ausgesprochen wird.
  5. Den größten Anteil an Hieroglyphen bilden die Zweikonsonanten-Zeichen, gefolgt von den dreikonsonantigen. Das geht in die hunderte. Gemeint sind also solche wie 𓏠 (m-n), 𓎟 (n-b), 𓆓 (dsch-d), 𓋹 (‘-n-ch), 𓊹 (n-tsch-r), 𓌃 (m-d-w)
  6. Es gibt weitere Konsonantenzeichen mit 4-7 Konsonanten, aber eher selten.
  7. es gibt auch Zeichen, die stellen als Ideogramme dar, was sie bedeuten. Diese erkennt man an einem kleinen Senkrechtstrich neben oder unter einem Zeichen. Das Zeichen 𓉐 hat den Lautwert „pr“ (man kann es hilfsweise „per“ aussprechen) stellt den Grundriss eines Hauses dar und bedeutet Haus, wenn daneben oder darunter im „Hauseingang“ ein kleiner Senkrechtstrich steht. Ansonsten kann es in jedem Wort stehen, was „pr“ als Laut enthält und nichts mit Haus zu tun hat. Das kann man sich als eine Art Rebus vorstellen. Ein bestimmtes deutsches Wort kann man auch so schreiben: 🐖🐻. Wie heißt das Wort? Man kann es also tatsächlich richtig lesen und nicht nur deuten.
  8. Es gibt eine weitere Zeichengruppe, die stummen Deutzeichen, die Determinative. Sie geben die Bedeutungsrichtung an, was bei Homophonen sehr hilfreich ist, haben zumeist keinen Lautwert, sind also stumm. … Das deutsche Wort 🐖🐻 hört sich genauso wie ein Schimpfwort mit Tiernamen an. Deshalb setzt man am Schluss noch mindestens 1 Zeichen, ein solches Dererminativ, um klar zu machen, dass es das Wort mit Reinigung im Zusammenhang ist: 🐖🐻🧹. Das gleichklingende Schimpfwort könnte man dann so schreiben: 🐖🐻🤬 - Übrigens stehen die Determinative am Schluss, so dass man auch weiß, wann ein Wort endet und das nächste beginnt, da die Hieroglyphen keine Lücken und Satzzeichen kennen. Abstrakta lassen sich auch ohne weiteres schreiben, was u.a. am Determinativ 𓏛 bzw. je nach Position 𓏜 (Schriftrolle) zu erkennen ist.
  9. Ehe ich’s vergesse: die Schreibrichtung kann von rechts nach links oder von links nach rechts, horizontal wie vertikal sein. Der Anfang eines Textes ist dort, wohin die Menschen oder Tiere des Textes schauen. Das kann auf einer Fläche auch wechseln. Und es passiert auch im Sargdeckeln oder Totenbüchern, dass die Schriftrichtung retrograd ist, also sozusagen gespiegelt, indem die dargestellten Menschen und Tiere zum Ende des Textes schauen. Die Ägypter haben m.W. die Schreibrichtung von rechts nach links bevorzugt, d.h. die Menschen oder Tiere blicken nach rechts. … Und die Ägypter waren Ästheten beim Schreiben. Sie haben nicht einfach hintereinander geschrieben sondern gruppiert, indem die Zeichen möglichst in ein gedachtes Quadrat passen, je nach Größe und Form (so wie es heute die Koreaner tun). Eine feste Orthographie gab’s nicht, und die Benutzung von Hieroglyphen änderte sich auch je nach Sprachstufe (die Basaris verwenden die Art der Schreibungen des Mittelägyptischen, was als klassisch gesehen wird. Die sog. Gruppenschrift des Neuägyptischen u.à. für fremde Namen, folgte eigenen Regeln, die aus mittelägyptischer Sicht zuweilen sogar unlogisch bis bizarr erscheint). Und Götternamen und Königstitel standen immer am Anfang, selbst wenn z.B. ein Göttername erst am Schluss ausgesprochen worden ist, wie bei twt ‘nch Jmn (Tut Anch Amun).
  10. Die Schrift ist also eine echte Schrift. Allerdings konnten nur max. 2-4 % der Ägypter lesen und schreiben. Und die Schrift wurde neben den weiterhin verwendeten bildhaften Formen bis zum Ende der Zeit parallel auch immer kursiver bis hin zum Demotischen, das so gar nicht mehr wie die Hieroglyphen aussieht. Das Demotische steuerte später bei der Einführung des griechischen Alphabets für den letzten bis heute existenten Überrest der alten ägyptischen Sprache, das Koptische, einige Buchstaben bei. Das Koptische ist nicht selten auch ein Schlüssel für die Lesung der Hieroglyphen. Das war einer der Gründe, warum Champollion erfolgreich war, da er Koptisch konnte und erkannte, dass dies ein Nachfahre der Sprache der Hieroglyphen ist. …

Und die gute Nachricht ist, dass bis zu einem gewissen Grade auch Laien kleine Texte lesen können. Man muss nur etwas Fleiß aufbringen, Zeichen sich merken und gewisse grammatikalische Kenntnisse haben. Man wird es spüren, wenn man vor einem Text steht. Während die anderen Museumsbesucher davor stehen und die Bildchen im Text bewundern oder gar zu deuten versuchen, spricht der Text zu Ihnen, als wenn er Sie erwartet hat. Die Texte sind ja auch im Grunde für die nachfolgenden Generationen geschrieben worden. Also auch für uns. Wer das lesen kann wird vielleicht eine Stimme aus der entfernten Vergangenheit leise hören. … Es hatte was magisches, als ich das zum ersten Male erlebt habe.

Und wer richtig Hieroglyphen am PC schreiben möchte, dem sei das kostenlose Programm JSesh empfohlen. Die Zeichen sind darin entsprechend der Ordnung nach Gardiner sortiert und lassen sich auch gruppieren usw. usf.. Es ist selbst für Ägyptologen ein sehr nützliches Programm. Zu empfehlen ist hierbei auch, wie man das sog. Manuel de Codage benutzt, das MDC.