Autismus und Zwangsstörungen?

5 Antworten

Autisten und deren von außen fälschlich verstandene "Zwangsstörung" sind als wiederkehrende RITUALE (wie schon erwähnt - nicht bei allen Autisten) zu sehen. Eine Art von Sicherheit die sie benötigen. Diese benötigen sie zum Beispiel um sich im Alltag orientieren zu können. Bei vielen schnell zu erkennen.... die auf Veränderungen in Abläufen/Umfeld stark reagieren. Das strikte einhalten dieser Rituale kann durch viel Übung/Therapie sehr gut auch ausgeschlichen werden.

Das hat nichts mit DEN Zwangsstörungen zu tun. - ansonsten schließe ich mich Rechercheur an.


Rechercheur  18.05.2012, 09:32

Das strikte einhalten dieser Rituale kann durch viel Übung/Therapie sehr gut auch ausgeschlichen werden.

Da stellt sich mir nur die Frage:
Wozu?
Zumindest wenn es nicht gerade (selbst-)schädigende Rituale sind. In dem Fall wäre auch eine Umlenkung besser als eine Abgewöhnung, denke ich.

Aquarina  19.05.2012, 11:46
@Rechercheur

Wozu? ... weil es eben Rituale gibt, die die Entwicklung, hin zu einem Leben so normal wie nur möglich hemmen. Da du selbst von dir sprechen kannst und ein , so wie du beschreibst, normales Leben führst, dann bitte ziehe in deine Überlegungen mit ein, es gibt viele Kinder, würden sie nicht gefördert werden, sie würden als Erwachsene in "speziellen, für sie nicht geeigneten, Einrichtungen" leben müssen.... Selbst Umlenkung wäre dann auch nicht das richtige Wort. Wenn ich meinem Sohn nicht an den Punkt geführt hätte einige seiner Rituale selbst zu betrachten und die Konsequenzen zu erkennen, er wäre heute noch nicht in der Lage (allein) zur Schule zu gehen. Schule zum Beispiel war unnötig aus seiner Sicht, da er das was man ihm da beibringen wollte, schon längst kannte/konnte. Warum also die Zeit in der Schule verbringen, denn seine Lese-Bildungszeit war doch daheim zu dieser Zeit. Ein Ritual, es wurde immer zu einer bestimmten Zeit ein Buch(Bücher) gelesen. Das ist zum Teil auch heute noch so, jedoch mit einem Unterschied, er kann es jetzt aushalten und anders damit umgehen... sich zum Beispiel dann mit einer anderen Aufgabe (die der Lehrer vorgibt) beschäftigen. ( da er den Stoff der 9. Gymnasium schon in einigen Fächern kann, arbeitet er schon an den Abiprüfungen) Außerdem fielen früher einige seiner Rituale im Tagesablauf genau in seine Schulzeit. Man könnte es letztendlich auch "heranführen und eröffnen von anderen Möglichkeiten" nennen. ..vielleicht auch eine (zeitliche) Verlegung von Ritualen ist möglich. Es kommt immer auf das Ritual selbst an. Es gibt also Rituale die sind nicht selbstverletzend, jedoch hinderlich im Alltag und das bremst auch in der Entwicklung. Das ablegen einiger Rituale sieht mein Sohn jetzt als eine Befreiung. Ich selbst bin bestimmt die letzte Person (in diesem Fall Mutter) die ihren Son mit AS umprogrammieren will. Ich möchte ihn für das Leben so vorbereiten, dass er dieses auch allein ohne mich gut meistern kann.... mit seinem Autismus. ...ohne sich verstellen / verbiegen zu müssen.

Aus Sicht der Eltern bei Kindern mit sehr engen Ritualen, glaube mir, eine Aufgabe - die oft fast nicht zu stemmen ist. Die Verzweiflung von Eltern kenne ich nur zu gut. Nicht nur aus eigener Erfahrung, sondern auch durch meine Arbeit.

Fazit: es muss also nicht immer ein Ritual sein wobei sich selbst verletzt wird . Was schädigende Rituale sind, dies muss man einem Kind mit ASS erst begreiflich/verständlich machen können... Es gibt Kinder mit ASS, wenn sie ihr Ritual (aus organisatorischen Gründen) nicht leben können, die dann extrem belastet sind und letztendlich auch austicken dadurch. Das ist dann die Hilflosigkeit damit nicht umgehen zu können , weil alles aus ihrer Sicht ins Chaos stürzt Wenn es so ist, sollte daran gearbeitet werden damit es dem Kind besser geht... ob das Ritual nur zeitlich verschoben werden sollte, oder daran gearbeitet es ganz aufzugeben, ist vom Ritual selbst abhängig und nicht pauschal zu sehen.

Rechercheur  19.05.2012, 12:54
@Aquarina

Ok, ich war gedanklich mehr beim Stimming als bei so umfassenden Ritualen. Daher erstmal also ein Missverständnis. Diese Begriffe werden zu oft zu synonym verwendet, ich muss auch selbst wohl mehr darauf achten.

Ohne deine lange Erklärung, die ich sehr gut finde, hätte ich jetzt diesen Satzteil bemängelt:

hin zu einem Leben so normal wie nur möglich

Denn oft frage ich mich: Warum so normal wie nur möglich? Warum muss immer alles möglichst "normal" und somit auch "normiert" sein oder ablaufen? Kann man nicht auch anders leben? Ich finde sehr viele Dinge zu reguliert und normiert von oben.

Deine Erklärung zeigt mir aber, dass du auf einen anderen Punkt hinaus wolltest. Und das ist richtig, ein junger Autist muss schon irgendwie lernen, mit seinem Autismus in der eben so seienden Welt zurechtzukommen. Und dazu gehört auch, zu wissen, wann, wo und wie stark man man selbst sein kann, Rituale leben kann, und wann und wo man das eben nicht so gut kann (ohne negative Konsequenzen). Aber auch, wie man sich Raum und Zeit schafft, um man selbst zu sein und nicht komplett in (anstrengender) Kompensation zu vergehen.
Nicht pauschal sehen, ja, da stimme ich voll zu. Individuell schauen, das jeweilige Kind und sein Leben anschauen.

Alles klar, ich denke, das Missverständnis ist zumindest auf meiner Seite geklärt und ich verstehe, was du meinst und kann auch Vielem so zustimmen.

Autismus und Zwangsstörungen sind zu verschieden, als dass ich es nun ebenfalls erläutern muss.

Ich erläutere mal kurz die Unterschiede zwischen Stereotypien (ein weit verbreitetes Symptom bei Autismus) und Zwängen:

Zwänge:
  • vollständig Unfreiwillig
  • Ist der Grund selber von Leiden
  • Das Spektrum der möglichen Zwänge ist groß, ein Zwang fängt meißtens da an wenn man etwas "ohne" nicht mehr schafft.
  • Betroffene sind der Sinnlosigkeit der Zwänge meißtens bewusst und werden zu ihrem Tun gegen ihren Willen wörtlich gezwungen.
Stereotypien:
  • eher eine freiwillige Handlung
  • Stereotypien sind beruhigend und für den betroffenen stimulierend, daher führen die Leute diese nur, wenn sie etwas Negatives plagt (z.B. ein negativer Gedanke, Stress, Nervösität, Ängste, usw.)
  • Stereotypien hören ganz normal auf , wenn der Stressfaktor verschwindet - ein Zwang würde dennoch bestehen bleiben.
  • Stereotypien hat eigentlich jeder Mensch mal (z.B. nervös hin-und-her-laufen, Schaukelstühle benutzen etc.) und werden nicht "krankhaft" angesehen.

m.f.g Alea

He, könnt ihr mir den Unterschied zwischen Autismus und Zwangsstörungen sagen?

Autismus ist Angeboren, Zwangsstörungen nicht. Daneben gibt es für Autismus viele Symptome, die nicht auf Zwangsstörungen zutreffen, und umgekehrt. Entschuldige, aber deine Frage ist so, als würde man fragen, was die Unterschiede zwischen Cephalopoda und Homo sapiens sind: Weder sehe ich einen Grund, warum irgendjemand diese beiden für dasselbe halten sollte, noch kann ich mir bei einer Auflistung von Unterschieden sicher sein, dass ich alle nannte.

es wäre leichter, zu fragen, was Autismus ist und was eine Zwangsstörung ist.

Autismus besteht aus vielen Symptomen. Darunter auch welchen, die Zwangsstörungen oberflächlich betrachtet ähneln können.

Eine Zwangsstörung ist im Grunde, wenn jemand bestimmte Tätigkeiten immer wieder ausführen MUSS, obwohl er das nicht will. Es stört denjenigen, er fühlt sich dazu gezwungen. Waschzwang zum Beispiel, oder der Zwang, immer dreimal die Tür zu kontrollieren etc.

Beim Autismus können nun auch repetitive Handlungen vorkommen, die von außen betrachtet Zwängen ähneln. Jedoch fühlt sich der Autist nicht gezwungen und es stört ihn nicht. Diese repetitiven Handlungen geben ihm im Gegenteil Sicherheit. Im Falle von Stimming, das auch so aussehen kann, überdecken diese Handlungen Reize oder erschaffen Reize, je nachdem, ob gerade zu viele oder zu wenige Außenreize herrschen.
Zudem ist das eben nur ein einzelnes Symptom, zu Autismus gehört noch mehr dazu. Und auch müssen diese repetitiven Handlungen/Stimming/Routinen/Rituale nicht zwingend bei jedem Autisten auftreten. Denn die Mischung der Symptome ist nicht bei allen Autisten gleich.

Was aber passieren kann, ist, dass ein Autist zusätzlich zum angeborenen Autismus auch noch eine Zwangsstörung entwickelt/erwirbt. Zwangsstörungen gehören aber nicht zum Symptomenkomplex des Autismus dazu. Sie müssten gesondert diagnostiziert werden.

Hallo Rolfi55,

Autisten zeigen ein sich wiederholende und stereotype Verhaltensmuster, Interessen, Aktivitäten. Sie führen alltägliche Aufgaben starr und routiniert aus. Veränderungen von Handlungsroutinen oder der Umgebung können sehr störend wirken. Zwangsstörung ist charakterisiert durch wiederkehrende Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen. Menschen mit Zwangsstörungen können sich durchaus im sozialen Umfeld bewegen und einer Arbeit nachgehen, was Autisten nicht möglich ist.

Alles Gute


verreisterNutzer  17.05.2012, 21:08

Menschen mit Zwangsstörungen können sich durchaus im sozialen Umfeld bewegen und einer Arbeit nachgehen

Ich kenne Menschen, die durch ihre Zwangsstörungen eben nicht im sozialen Umfeld bewegen und einer Arbeit nachgehen können!

Menschen mit Zwangsstörungen haben ihre Zwänge unfreiwillig und leiden darunter - deshalb ist es auch für sie krankhaft und suchen auch professionelle Hilfe auf. Manche müssen eine Klinik besuchen und schon geht das mit der Arbeit z.B. nicht mehr.

Autisten leiden unter ihren Stereotypien nicht - eher sind sie sogar für sie beruhigend bis essentiell.

verreisterNutzer  17.05.2012, 21:13
@verreisterNutzer

Autisten leiden unter ihren Stereotypien nicht

...sofern diese nicht extrem sind und zu weiteren nachhaltigen Verletzungen führen. Die Aktionen haben aber meißtens einen äußeren negativen Grund, weshalb sie dieses als "Ventil" benutzen.

Zwänge sind völlig unfreiwillig und sind der Grund selbst.

Rechercheur  17.05.2012, 16:26

Vielen Dank für die Klischees, aber leider sind sie genau das.
Viele/einige/manche Autisten, ok, aber Autisten pauschal, nein. Sprich: Dein Beitrag ist zu pauschal formuliert.

Menschen mit Zwangsstörungen können sich durchaus im sozialen Umfeld bewegen und einer Arbeit nachgehen, was Autisten nicht möglich ist.

Ich kenne einige Autisten, die einer Arbeit nachgehen. Und ja, einer ganz normalen Arbeit, nicht Behindertenwerkstatt. Ich kenne Autisten, die sich selbständig gemacht haben, ein Gewerbe betreiben. Ich kenne welche, die studieren. Ich selbst habe bereits Vollzeit gearbeitet und fernstudiere, um mich weiterzubilden.

Dein Bild des Autismus ist zu beschränkt. Natürlich gibt es auch Autisten, die nicht arbeiten können oder nur in einem geschützten Umfeld. Aber eben nicht alle. Dir ist der Umfang des autistischen Spektrums nicht bewusst.