Meinung des Tages: Zunehmende Gewalt in deutschen Arztpraxen - was könnten die möglichen Gründe hierfür sein?
Ärzte und medizinisches Fachpersonal erleben inzwischen immer häufiger Gewalt in ihren Praxen. Zum Schutz der Angestellten werden die Rufe nach einer Verschärfung des Strafrechts laut. Die Gründe für die Gewaltausbrüche indes sind häufig schwer nachzuvollziehen...
Deutliche Zunahme von Gewalt in Arztpraxen
Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, beklagte in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung vor wenigen Tagen die massiv gestiegene Gewalt in deutschen Arztpraxen. Ihm zufolge hätten "offene Aggression und [ . ] extrem forderndes Verhalten [ . ] deutlich zugenommen". Eine Gewaltzunahme konnte demnach sowohl in verbaler (z.B. Beleidigungen) als auch physischer Hinsicht (z.B. körperliche Angriffe) verzeichnet werden.
Eine von der Ärztekammer Westfalen-Lippe in Auftrag gegebene interne Umfrage offenbarte, dass mehr als 1.000 ihrer 42.000 Mitglieder bereits mit körperlicher Gewalt im beruflichen Kontext konfrontiert gewesen seien. So berichten Krankenschwestern und Ärzte davon, dass Patienten ihnen auf dem Nachhauseweg aufgelauert hätten oder dass Autos demoliert worden seien. In vielen Fällen musste der Sicherheitsdienst im Krankenhaus hinzugezogen werden.
Gassen, der selbst als praktizierender Arzt tätig ist, berichtet in seinem Interview von einem "Patienten, der eine Tür kaputt getreten hat". Das für gewöhnlich vertrauensvolle Verhältnis zwischen Patienten und medizinischem Personal würde durch eine "kleine, leider aber größer werdende Klientel, die wirklich schwer erträglich" sei und stetig wachse, mittlerweile massiv beeinträchtigt. In den aller meisten Fällen treffe es die medizinischen Fachangestellten.
Seitdem werden die Rufe nach einer Verschärfung des Strafrechts laut..
Verschärfung des Strafrechts und Gründe für das Verhalten
Während Angestellte in Arztpraxen erst seit kürzerem mit gestiegener Aggression und Gewalt konfrontiert sind, haben Rettungskräfte wie Feuerwehrleute oder Rettungssanitäter seit vielen Jahren mit dem Problem zu kämpfen. Um der Situation Herr zu werden und das Rettungspersonal vor Angriffen Dritter zu schützen, plant das von Bundesjustizminister Marco Buschmann geführte Ministerium derzeit eine Verschärfung des Strafrechts. Die geplante Anpassung müsse mit Blick auf die aktuelle Lage dem Kassenärzte-Chef zufolge jedoch auf Arztpraxen ausgeweitet werden. Gassen fordert eine klare Verschärfung des Strafgesetzes und verweist auf den Umstand, dass sich "auch Praxen [ . ] nicht alles bieten lassen [müssen]." Die Lage in deutschen Ärztezimmern habe die Politik laut Gassen noch nicht ausreichend auf dem Schirm.
Der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe bemerkt, dass viele Menschen seit der Corona-Pandemie wesentlich dünnhäutiger geworden seien und eine kürzere Zündschnur hätten. Überspitzter Egoismus und fehlende Empathie führten in vielen Fällen dazu, dass Patienten wenig Geduld und Verständnis für andere Patienten oder die Ärzte aufbringen würden. Eine Ärztin verwies in einem Interview darauf, dass sich viele Patienten im Vorfeld im Internet über mögliche diagnostische Verfahren informieren würden und diese - egal, ob nötig oder nicht - einfordern. Darüber hinaus kämen viele Patienten häufig mit völlig falschen Vorstellungen in die Praxen. KBV-Chef Gassen monierte ebenso, dass es inzwischen immer öfter vorkomme, dass eine kranke Person in Begleitung von vier bis fünf Personen in der Arztpraxis oder Notaufnahme erscheine.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach zumindest schrieb auf X, dass Gewalt und Gewaltandrohungen gegen Ärzte und Pflegekräfte - auch mit Blick auf den ohnehin vorhandenen Personalmangel - stärker bestraft werden müssten und dass dieser aktiv am Gesetz zur Strafverschärfung mitwirken würde.
Unsere Fragen an Euch:
- Wie erklärt Ihr Euch die gestiegene Aggressionsbereitschaft Ärzten und Rettungskräften gegenüber?
- Sollten Praxen gewaltbereite Patienten in nicht akuten Fällen häufiger ablehnen?
- Welche Maßnahmen sollten zum Schutz von Ärzten und medizinischem Personal ergriffen werden?
- Sollte die Öffentlichkeit besser über die Herausforderungen und Belastungen des medizinischen Personals informiert werden?
- Welche rechtlichen Konsequenzen / Strafen wären Eurer Meinung nach angebracht?
Wir freuen uns auf Eure Antworten.
Viele Grüße
Euer gutefrage Team
Quellen:
https://www.zeit.de/gesellschaft/2024-08/kassenaerzte-gewalt-arztpraxen-rettungskraefte-buschmann
https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/gewalt-in-praxen-100.html
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/buschmann-haertere-strafen-uebergriffe-100.html
101 Antworten
Ich selbst habe dies Verhalten weder in den Praxen noch bei den Einsätzen erlebt. Speziell in den Praxen kann ich es mir nicht vorstellen. Aber, die Menschen werden immer aggressiver und gewaltbereiter - daher, kann sein.
Eine Erklärung wäre die Enttäuschung. Immerhin ist es inzwischen in vielen Praxen schon Usus, dass man sie telefonisch nicht erreichen kann. Nur den dämlichen AB. Dann geht man eben selbst hin - teilweise unter großen Problemen und erhält den Bescheid, dass sie den nächsten freien Termin in x Monaten haben - aber der vorherige Patient erhielt einen Termin in Wochen.
Eine Zwei-Klassen-Gesellschaft hat schon öfters den Unmut der "unteren Klassen" hervorgerufen.
Was nun die Rettungskräfte auf den Straßen betrifft. Hier sollte man massiv einschreiten. Schon allein die Behinderungen (habe ich zwar auch nur gehört, doch glaube ich dies sofort) durch Schaulustige sollte geahndet werden. Dazu benötigt man natürlich Polizei, die sich nicht gerade fürs TV freistellen lies (ein Seitenhieb auf all diese unmöglichen Doku-Soaps mit echten Polizisten die TV-Star werden wollen).
Ein Problem das zwar nicht neu ist, doch noch immer keine Reaktion bei Politik und Co. hervorgerufen hat. Oder bei der Gesellschaft. Weil ja auch diese reagieren könnte.
Und da sind wir auch wieder beim Thema: Courage. Bzw. fehlender Courage.
Ich war jahrelang im Fahrdienst des ärztlichen Notfalldienstes beschäftigt.
Ich habe die Nachtärzte zu den Patienten begleitet, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht in die Notfallpraxis kommen konnten.
Der ärztliche Notfalldienst ist die Hausarztversorgung für die Bevölkerung, wenn Hausarztpraxen geschlossen haben. Allerdings ist das nur für nicht aufschiebbare Behandlungen gedacht.
Was aber dann nachts in die Praxis rein kommt, ist - Verzeihung - zum größten Teil Pipifax. Sachen, die man zu Hause aushalten kann, bis der Hausarzt wieder erreichbar ist, oder Sachen, die man ganz alleine auskurieren kann.
Das Problem ist meines Erachtens die sich in unserem Versorgungswesen entwickelte Anspruchshaltung. Wenn man sich nicht wohl fühlt, rennt man zum Notarzt. Aber für Wohlfühlansprüche ist der Notarzt mitnichten zuständig.
Auch bei den nächtlichen Hausbesuchen waren die meisten "Notfälle" gar keine. Oft konnten keine Beschwerden lokalisiert werden. In vielen Fällen hockten Menschen alleine zu Hause und brauchten einfach nur einen Gesprächspartner.
Manche Ärzte haben mir gesagt, 80 - 90 % der Hausbesuche wären nicht notwendig gewesen.
Darin sehe ich auch das ganze Problem: Man geht zu viel zum Arzt.
Eigentlich wollte ich Ähnliches in meine Antwort hineinfügen. Ich habe es aber dann weggelassen, um meinen Text nicht zu überladen.
Durch deinen kompetenten Kommentar hat sich nun jegliche Stellungnahme meinerseits erübrigt. Besser hätte ich es auch nicht ausdrücken können.
Danke dafür!
Und wenn Du jetzt noch den Gedanken zulässt, dass die Pharma, die Medien, die Politik, die (Rüstungs)industrie, das Finanzsystem und das Bildungssystem gesteuert zusammenarbeiten?
Möchtest Du EIN ganz konkretes Beispiel, wo Industrie + Dienstleister Hand in Hand arbeiten, um eine Entmündigung zu perfektionieren und damit die Allgemeinheit auszulutschen, ohne Problemlösungen anzubieten? Gern im persönlichen Kontakt (Deine Freundschaftsanfrage?). Öffentlich rolle ich das hier jedoch nicht aus.
Ist diese Einstellung der Grund warum ich so lange warten mußte, als ich den RTW für meine kranke Mutter gerufen habe? In der Klinik haben sie sie sogar dabehalten, also kein Pipifax - oder?
Der RTW ist etwas ganz anderes als ´ärztlicher Notfalldienst".
RTW gehört zur Rettungsmedizin für vitale Notfälle und wird nicht vom Notfalldienst losgeschickt, sondern von einer Rettungsleitstelle.
Ärztlicher Notfalldienst ist Hausarztmedizin.
Zugegeben: Für den Laien schwer zu unterscheiden.
Der ärztliche Notfalldienst hieß früher: "Ärztlicher Bereitschaftsdienst" .
Das beschreibt die Zuständigkeit der Hausarztvertretungen meines Erachtens viel besser.
Warum das in "Notfalldienst" umgetauft wurde, habe ich nie verstanden.
Zum Thema Pipifax: Wenige Notfälle sind echt: Herzinfarkte, Schlaganfälle, Herzschlagentgleisungen. In solchen Fällen behandelt nicht der gerufene Arzt, sondern er ruft umgehend den Rettungsdienst, weil solche Patienten in die Klinik müssen. Er macht höchstens, wenn es notwendig sein sollte, Ersthelfermaßnahmen.
Und weil man vorher nicht weiß, welche "Notfälle" echt sind, muß man zu jedem hinfahren und vor Ort prüfen.
Und für die paar Fälle, die wirklich dringend sind, wird der ganze Aufwand betrieben.
Aber durch welchen Berg von Pipifax muß man sich durcharbeiten, um die echten Notfälle heraus zu filtern?
Es ist dieser Berg von Pipifax, der auch den Rettungsdienst sehr belästigt, und das ist dann auch der Grund, weil ein Rettungswagen nicht rechtzeitig da sein kann, weil Pipifaxanrufer sich wichtig machen mußten.
War das nicht schon früher so, das viele Menschen zu viel zum Artzt gehen? Und da war doch nicht so eine Aggression.
Autoritäten, wie auch Ärzte das früher mal waren, sind keine mehr.
Vielleicht liegt´s daran.
Ärzte wurden von den Krankenkassen als abrechnungsgierig bloßgestellt und somit als angreifbar geoutet.
Ist ganz gut was Du da schreibst. Aber ist es oft nicht so, das sich zwei Dumme getroffenen haben, der eine der nicht genug bekommen kann und der Andere der nichts geben will?
Liegt vielleicht auch ein wenig daran, dass man kaum noch einen entsprechenden Arzt findet. Und wenn mit langen Wartelisten. Bei einem schwerwiegenden Problem kann das eben auch Einfluss auf das Leben bzw. Lebensqualität haben. Und wenn man dann vielleicht einen Termin hat und die Leute "abgefertigt" werden, ist der Frust dann natürlich hoch. Was keine Entschuldigung ist, dass die Sache ausschreitet. Es ist eben auch größtenteils eine Zweiklassenmedizin. Während man als Privatpatient schneller einen Termin bekommt und auch ganz anders untersucht wird, ist es als gesetz. versicherter schon schwieriger.
ich finde das total furchtbar! habe zum Glück noch nicht eine solche Situation miterleben müssen, aber man bekommt auch zb wenn man im Wartezimmer beim Arzt sitzt so einiges mit - wie das Personal und auch die Patienten richtig unfreundlich sind und es auch verbal schon mal ausartet..
Chat GPT Fragen:
Was ist die häufigste Entwicklung bei Menschen, die ständiger Ohnmacht ausgesetzt sind?
Was ist mit Menschen, die aufgrund fehlender medizinischer Versorgung um ihre Gesundheit oder gar um ihr Leben fürchten?
Zu welchen Reaktion führt diese Hilflosigkeit?
Wenn Menschen ständiger Ohnmacht oder Hilflosigkeit ausgesetzt sind, führt das oft zu psychischen und emotionalen Belastungen. Zu den häufigsten Entwicklungen gehören:
1. Chronischer Stress: Dauerhafte Hilflosigkeit kann zu einem Zustand von chronischem Stress führen, der sowohl psychische als auch körperliche Gesundheit beeinträchtigt.
2. Depression und Angststörungen: Menschen, die das Gefühl haben, keine Kontrolle über ihre Situation zu haben, entwickeln häufig Depressionen oder Angststörungen.
3. Resignation und Erlernte Hilflosigkeit: Wenn jemand wiederholt erlebt, dass seine Handlungen keinen Einfluss auf die Umstände haben, kann dies zu einem Zustand führen, der als "erlernte Hilflosigkeit" bekannt ist. Die Person gibt auf und versucht gar nicht mehr, ihre Situation zu verbessern.
4. Misstrauen und Feindseligkeit: Ein Gefühl der Ohnmacht, insbesondere in Bezug auf mangelnde medizinische Versorgung oder Sicherheit, kann zu Misstrauen gegenüber Institutionen, Behörden oder sogar Mitmenschen führen. In extremen Fällen kann dies zu sozialer Isolation oder Aggression führen.
5. Körperliche Beschwerden: Anhaltender Stress und Angst haben oft auch körperliche Folgen, wie Schlafstörungen, Magen-Darm-Probleme, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder ein geschwächtes Immunsystem.
Die Reaktion auf diese Hilflosigkeit variiert von Mensch zu Mensch, aber sie beinhaltet oft ein Gefühl der Verzweiflung und das Bedürfnis, Kontrolle über das eigene Leben zurückzugewinnen, sei es durch individuelle Anstrengungen oder durch die Suche nach Hilfe und Unterstützung.
Wenn Menschen ständiger Ohnmacht oder Hilflosigkeit ausgesetzt sind, führt das oft zu psychischen und emotionalen Belastungen. Zu den häufigsten Entwicklungen gehören:
1. Chronischer Stress: Dauerhafte Hilflosigkeit kann zu einem Zustand von chronischem Stress führen, der sowohl psychische als auch körperliche Gesundheit beeinträchtigt.
2. Depression und Angststörungen: Menschen, die das Gefühl haben, keine Kontrolle über ihre Situation zu haben, entwickeln häufig Depressionen oder Angststörungen.
3. Resignation und Erlernte Hilflosigkeit: Wenn jemand wiederholt erlebt, dass seine Handlungen keinen Einfluss auf die Umstände haben, kann dies zu einem Zustand führen, der als "erlernte Hilflosigkeit" bekannt ist. Die Person gibt auf und versucht gar nicht mehr, ihre Situation zu verbessern.
4. Misstrauen und Feindseligkeit: Ein Gefühl der Ohnmacht, insbesondere in Bezug auf mangelnde medizinische Versorgung oder Sicherheit, kann zu Misstrauen gegenüber Institutionen, Behörden oder sogar Mitmenschen führen. In extremen Fällen kann dies zu sozialer Isolation oder Aggression führen.
5. Körperliche Beschwerden: Anhaltender Stress und Angst haben oft auch körperliche Folgen, wie Schlafstörungen, Magen-Darm-Probleme, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder ein geschwächtes Immunsystem.
Die Reaktion auf diese Hilflosigkeit variiert von Mensch zu Mensch, aber sie beinhaltet oft ein Gefühl der Verzweiflung und das Bedürfnis, Kontrolle über das eigene Leben zurückzugewinnen, sei es durch individuelle Anstrengungen oder durch die Suche nach Hilfe und Unterstützung.
*5.Körperliche Beschwerden: Anhaltender Stress und Angst haben oft auch körperliche Folgen, wie Schlafstörungen, Magen-Darm-Probleme, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder ein geschwächtes Immunsystem.*
Aggression letzter Ausweg
Sucht und Suchtentzug nicht zu vergessen: Ein klassisches Verhaltensmuster der Sucht ist es, die eigene Verantwortung dafür abzulehen. Da muss ein Anderer herhalten. Nicht ich kann / will gerade mein! Gefühl nicht aushalten, was ich durch mein eigenes! Urteil und damit meiner selbstgewählten! Lebenshaltung selbst in mir erzeugt habe, sondern der Andere ist schuld / verantwortlich für mein Gefühl. Der Arzt ist schuld, weil ich hier ausraste, nicht meine Ungeduld...???!!!
Und andererseits möchte "das System" den maximal entmündigten Patienten. Wenn da ständig herumgefuchtelt wird Früherkennung hier und "rechtzeitig" zum Arzt gehen dort, weil damit dieses oder jenes verhindert werden könne. Teils ist das die Medizinbranche selbst, teils sind das natürlich auch wieder die Medien, die Stories hypen, die ohne eine gewisse Dramatisierung vermutlich keine Geschichten geworden wären, die jemand gelesen oder sich in TV/Video überhaupt angesehen hätte.
Ich möchte hier nicht Sinn oder Unsinn dessen diskutieren, was wir dann in Corona-Zeiten erlebt haben. Aber eines wird doch klar: Der selbst denkende und sinnvoll abwägende Mensch ist ein Modell, das immer weniger gewünscht ist.