Alice im Wunderland hat welchen Sinn..?

7 Antworten

Das Buch – original – hat keinen Sinn. Der Verstand kann einer Erzählung keinen Sinn geben, denn dann wäre ja Sinn etwas Konkretes, und daß kann etwas geistiges niemals sein. Hier spricht man eher von Bedeutung, also ein intuitives Erfassen der Handlung, um darin sich selbst erkennen zu können.

Wenn ein Mensch an nur ein einziges Leben glauben kann, dann kann er nicht viel mit der Geschichte von Alice anfangen. Die Geschichte sagt ihm nichts. Der Verstand weigert sich, die Wahrnehmung auf die Intuition auszuweiten, und nur mit dem Verstand alleine ist hier nichts zu verstehen.

Ein Verstand sucht stets Gründe in der Außenwelt, warum ein Mensch etwas tut, oder nicht tut, und wenn er es tut, dann – warum und wieso? Daß ein Mensch auch intuitiv handeln könnte – auf diese Idee kommt der Verstand nicht. Und wenn ein Mensch mit dem Verstand bereits identifiziert ist, erklärt ihm der Denker die Welt da draußen.

Es gibt eine sogenannte reale Welt, und noch eine Traumwelt. Die letztere ist dem Verstand unbegreiflich, da er sie nicht mit Händen fassen kann. Also verurteilt er rundweg sämtliche Informationen, welche aus dem Traumbereich stammen könnten. Das Sprichwort: Träume sind Schäume – weißt auf diese Ablehnung des Verstandes hin.

Bei genauerer Betrachtung kann man feststellen, daß sich der Verstand vor dieser Traumwelt fürchtet, da er über die Wahrnehmung, welche der Träumer macht, keinerlei Kontrolle besitzt. Man kann es selbst vor dem Einschlafen erleben, wie sich der Denker weigert, die Kontrolle über die Wahrnehmung an das innere Bewußtsein abzugeben.

Je mehr und je fester ein Mensch mit dem Verstand identifiziert ist, um so schwerer fällt es ihm, in den Schlaf natürlich einzutauchen. Doch für Alice ist das kein Problem. Sie wandert von einer Welt zur anderen, und was sie dort erlebt, entspricht den kollektiven Vorstellungen der Menschheit über das Träumen.

Angedeutet durch einen Sprung in den Brunnen, ein fast ewiges Fallen in unbekannte Regionen, ein Erkennen auf dieser Reise durch den Brunnenschlund, und ein Erreichen dieser ihr vertrauten Welt. Symbolisch entspricht der Fall dem Fallgefühl beim Einschlafen, und das Ankommen im Traumland als eine Art Wiedersehen mit Vertrautem.

Beim Fall im Brunnen verliert Alice die Zeit. Der Raum beginnt, sich zu verwandeln, da er ohne Zeit fast machen kann, was er will. Die relativ toten Gegenstände zeigen nun eine unbegreifliche Beweglichkeit, und eine fast mystische Aktivität in Bezug zu einem Träumenden. Alice beobachtet in gewissem Sinne, wie ihre eigenen Gedanken die Traummaterie verändern.

Es geschieht ihr etwas, und sie erkennt ihre Macht, das Geschehen zu verändern. Irgendwie scheint sie hier im Traumland keinen Verstand mehr zu benötigen, da sie intuitiv alles klar erkennen kann. So erlernt sie schnell das Manipulieren der Materie. Auch ihre Begegnungen im Traumland lassen sie die Analogien zur Außenwelt erkennen.

Hier vermischt sich Realität und eine andere Realität auf natürliche Weise, wodurch sich Alice über gar nichts wundert. Kinder leben noch im Zustand des Vergessens, damit ist das Bewußtsein gemeint, welches sich beim Gang in die Materie selbst vergessen muß, um sich dann durch all die Handlungen, und die dadurch resultierenden Erfahrungen selbst bewußt werden zu können.

Immer wieder erkennt Alice, wer sie im Grunde schon immer ist. Im Klartext sagt es ihr die blaue Raupe, und etwas verschlüsselt der Hutmacher, und immer wieder einmal die anderen Protagonisten. Auch das Geschehen im Traumland ist symbolischer Natur, wenn man an das Ei auf der Mauer denkt. Und selbst die Zwillinge spielen nicht immer die Zwillingsrolle im Traumland.

Absurd wird es beim Hummertanz, oder beim Nichtgeburtstag Spiel. Und wenn nicht hier, dann aber beim Klüngelrennen, bei dem es nur Sieger geben kann. Somit ist es sinnvoll, beim Lesen des Buches auf die Gefühle beim Lesen zu achten, und nicht so sehr auf die Stimme im Kopf.

Herzliche Grüße – auch vom weißen Kaninchen

Pantalaimon77  18.05.2012, 11:47

höchst beeindruckende Analyse - danke auch von mir!

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Es geht um eine Heldin(Alice mittlerweile 19), die verschiedene Aufgaben meistern muss, ehe sie zum finalen Showdown antritt.Die Handlung ist denn auch nicht der Literaturvorlage entlehnt, sondern schreibt diese im Abstand von dreizehn Jahren fort, als aus dem kleinen Mädchen Alice bereits eine junge Frau geworden ist. Als Symbol dafür könnte man ihre Kleidung sehen, die nicht (wie in der Romanvorlage) mit Alices Körper mitschrumpft oder -wächst, sondern ihre Größe beibehält, wodurch peinliche Situationen entstehen, und Alice mehrfach gezwungen ist ihre Blöße zu verdecken. So wie sie kurz vor der Heirat steht, hat auch das Wunderland seine kindliche Seite verloren und sich in ein von Kriegen verwüstetes und von verfeindeten Parteien (deren jeweilige Anführerinnen die Weiße und die Rote Königin sind) bewohntes Land verwandelt.So steht es in der Filminfo.Halt ein typischer Fantasiefilm

Der neue Film von Tim Burton ist in Wahrheit eine eigenwillige Interpretation der Originalgeschichte und kommt an die Vielschichtigkeit der Alice-Bücher nicht heran, trägt daher somit nur in geringem Maße zur Bedeutungsfindung der Vorlagen bei. Während die Erlebnisse der Hauptfigur bei Carroll eher episodisch aneinandergereiht werden, folgt der Film einer klassischen Dramaturgie mit einer Heldin, die ein konkretes Problem hat, das am Ende gelöst werden muss. Die Erfahrungen, die sie in der Wunderwelt macht, helfen ihr bei ihrer Identitätsfindung und Reifung zu einer erwachsenen Frau, die dadurch in die Lage versetzt wird, gegen die gesellschaftlichen Erwartungen zu rebellieren und ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen. Der Autor der Bücher geht hingegen noch weiter, indem er bestehende Weltbilder und Denkmuster grundsätzlich in Frage stellt und dem Leser Erfahrungen bietet, die ihn in die Lage versetzen sollen, das Irrationale unvoreingenommen auf sich wirken zu lassen und auf diese Weise dessen Qualitäten zu erkennen. Gleichzeitig macht er sich über bestehende Institutionen der Viktorianischen Ära lustig. Das ist zumindest meine Deutung.

Diese Geschichte ist eine Hohelied auf die kindliche Fantasie. Zugleich auch ein Buch für ein kleines Mädchen, das dem Autor sehr ans Herz gewachsen war.

Auf die von der Wissenschaft inzwischen behaupteten pädophilen Neigungen von Lewis Carroll möchte ich nicht näher eingehen, da sie – falls vorhanden – wohl zeitlebens unterdrückt wurden.

Es gibt eigentlich keinen wirklichen Sinn von einem Film. Er dient nur zur Unterhaltung. Mehr nicht.

Pantalaimon77  18.05.2012, 12:12

Jede Geschichte enthält einen Sinn. Man muss sich nur die Mühe machen, ihn zu finden. Gleichzeitig sollte jede Geschichte unterhaltsam sein. Unterhaltung und Bedeutung schließen sich also nicht aus.

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