Tag! Auch wenn's spät kommt - ich antworte einfach mal für alle, die sich womöglich zukünftig noch fragen, ob Promotionjobs für NGOs so geil sind.

Es gibt durchaus Leute, die damit Kohle machen. Wenn sie so und so viele Leute mit x Einheiten aufschreiben, sich im Job halten, obwohl man das nach einem Jahr meist praktisch auf selbstständiger Basis macht und dann erst mal x Einheiten schreiben muss, um z.B. seine Krankenversicherung zu bezahlen! :D

Ich war da ziemlich genau eineinhalb Wochen. Dass "2000 € im Monat - geilster Studentenjob ever!!" eine etwas unrealistische Jobbeschreibung ist, war mir von vornherein auch klar. Dass es im Kontrast zur Realität allerdings fast kriminell ist, nicht ganz so. Ich erklär dir mal, wie das läuft: Du wirbst Mitglieder für eine NGO an, in der Regel an Ständen auf der Straße oder - wenn es ganz schlecht läuft - direkt an der Haustür, so wie ich. Du arbeitest wenn überhaupt nur indirekt für die NGOs, da du von Wesser und Konsorten angestellt wirst. Wenn du dir das alles mal anguckst, dass die für die Mitarbeiter Autos und Wohnungen stellen UND Gehalt, kommst du ziemlich schnell drauf, dass für den Guten Zweck nicht wirklich was überbleibt. Wenn man dem zumindest Vertrauen schenken kann, machst du für die Vereine bestenfalls Lobbyarbeit und schüttest lediglich Wasser auf die Mühlen unseres korrupten Systems.

Wie gesagt, ein paar waren da, die sich länger gehalten haben - grob geschätzt sind jedoch 90% (wenn nicht mehr) schnelle "Ausschussware". Lieferst du keine Einheiten, wird dir gekündigt. Was mir bei Vertragsabschluss nicht einmal bewusst war, das stand wenn überhaupt im Kleingedruckten, sonst hätte ich mir einen Job gesucht, der zuverlässiger die Miete zahlt! Um dich in dem Job halten zu können, musst du mehr als stressresistent und frustrationstolerant sein. Vielleicht sogar etwas realitätsverneinend, denn du sollst überzeugend etwas verkaufen, von dem du kurz nach Arbeitsantritt höchstwahrscheinlich schon nicht mehr überzeugt sein wirst. Und dich werden täglich eine Menge Leute ankacken, warum du sie mit diesem Kram belästigst.

Weiter kann ich dir von mir persönlich erzählen: - Ich wurde beinahe unter falschen Versprechungen in den Job gelockt. Die Leute, die dich da reinbringen, sind alle kackenfreundlich und wirken optimistisch. Faktisch wurde ich genötigt, bis 9 Uhr abends unterwegs zu sein und an Haustüren zu klingeln, hatte kein mir versprochenes W-Lan in unserer Bruchbude oder eine Waschmaschine und und und. - Es gibt einen Teamleiter, der die ganze Sache am laufen hält und scheinbar an dir mitverdient, wenn man anderen Berichten glauben mag. Meiner hat mich am ersten Abend herzlich empfangen und beteuert, wie locker das ganze sei, wollte mir dann wenige Tage später verbieten in meiner Freizeit Bier zu trinken und meinte, ich könne mir nicht einfach rausnehmen, zum Frühstück zu fehlen, weil ich zu müde sei. Das war ich, weil... - ... du zwar knapp 40 Stunden die Woche bezahlt bekommst, jedoch weit darüber hinaus arbeitest. Wie gesagt bis spät abends, samstags, dann die Schulungen direkt im Anschluss an das Frühstück (bei 8 Leuten und einem Badezimmer war ich ehrlich gesagt die ganze Woche vielleicht einmal kacken) und wenn du meinst, du kannst sonntags deine Family besuchen, denk dran, dass du unter Umständen abends um acht wieder zurück sein musst! Es ist für die Gruppe! - Dir wird ziemlich genau eingetrichtert, was du zu sagen hast. Denn niemand will die Leute tief in ihren Herzen überzeugen, lediglich die Performance muss stimmen, damit du Einheiten schreibst. - Oftmals werden in Abständen von wenigen Jahren die genau gleichen Gebiete abgegrast. "Ich komme von der Organisation XY, die kennen Sie doch bestimmt!" Und ob sie sie kennen. Weil deine Vorgänger sie damit belästigt haben, immer und immer wieder. - Dir wird das Ganze als eine lustige Klassenfahrt verkauft? Mit den richtigen Leuten durchaus möglich, allerdings haben erfahrungsgemäß nicht mal die Leute Bock auf den Job, die ihn gut machen. Zumindest wird noch gevögelt wie im Schullandheim und die Zickereien könnt ihr unter euch ausmachen, dafür ist der Teamleiter echt nicht zuständig. - Du bist bei jedem Wetter unterwegs für den Guten Zweck, bei fucking jedem! Mitarbeiter werden krank, müssen bei zuvor Belästigten und in Cafés fragen, ob sie dort mal ihr Geschäft verrichten dürfen.

Alles in allem ist es mir schleierhaft, dass Berichte über diese Systeme nicht die Runde machen und NGOs eventuell tatsächlich auf diesem Wege noch Menschen erreichen. Ganz ehrlich, tu es dir nicht an. Ich habe schon eine Menge beschissene Jobs gemacht, aber da war ich nach nur einer Woche vor allem psychisch so dermaßen runter... purer Horror!

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