Das lässt sich nicht pauschalisieren und ist von Person zu Person unterschiedlich, aber ich werde mal von meinen Erfahrungen in diese Richtung erzählen. Ich habe keinen Realitätsverlust nach Freud erlebt, aber die Theorien sind ja soweiso überholt.
Ich leide an einer hebephrenen Schizophrenie, bin mittlerweile aber sehr gut eingestellt. Ich berichte einfach aus der Zeit, wo es gerade am schlimmsten war, wie ich mich gefühlt habe, wie mein Bild zur Realität, zu meiner Umwelt und zu meinen Mitmenschen aussah und versuche auch, mit reinzubringen, wie ich auf andere nach außen hin gewirkt habe. Da starke Zwangsgedanken hinzukamen, lässt sich da schwer ein Trennungsstrich ziehen, deshalb wird davon vielleicht auch einiges mit drinnen stehen.
Erstmal war ich mir zu keinem Zeitpunkt bewusst, dass nicht genau das, was ich subjektiv erlebt habe, die absolute Realität war, egal wie viele Leute mir etwas anderes erzählt haben. Angefangen hat es damit, dass für mich negative Punkte im Alltag hervorgestochen sind: Eine schlechte Note, wenn ein Freund keine Zeit hatte sich mit mir zu treffen, selbst so lächerliche Dinge wie wenn im Supermarkt gerade nicht das da war, was ich kaufen wollte - Ich dachte alles wäre geplant und organisiert genauso gestaltet, nur um mir zu schaden und mich fertig zu machen. "Alle sind gegen mich", "Alle hassen mich", das sind Sätze, die ich zu dieser Zeit dauernd gesagt habe, auch zu Leuten wie z.B. meiner Mutter, die mir eigentlich helfen wollten.
Dazu kam, dass ich mich in eigentlich völlig unbedeutenden Themen total festgebissen habe, das war zum Beispiel neue Kopfhörer, was wenn bestimmte Sachen davor anders gemacht worden wären besser gelaufen wäre, oder, dass ich einen Film gucken darf, den meine Mutter mir damals nicht erlaubt hat. Das krasseste Beispiel ist aber denke ich meine Körpergröße. Ich hatte aufgrund einer anderen Krankheit viele Arztbriefe und mir fiel beim Vergleichen auf, dass ich seit einem Jahr nicht mehr gewachsen war. Da begann ich mir Sorgen zu machen, dass ich nicht mehr wachse (was mir wie das schlimmste auf der Welt vorkam) und drängte darauf, dass das beim Arzt untersucht wird. Ich sprach wortwörtlich 24 Stunden wochenlang über NICHTS anderes, es hat sich in einen regelrechten Wahn gesteigert. Dies führte dazu, dass Untersuchungen in die Richtung (Hormonspiegel, Röntgen des Handwurzelknochens etc) gemacht wurden, wo als Ergebnis herauskam, dass ich wirklich nicht mehr wachse. Da brach für mich meine Welt zusammen, ich war fest davon überzeugt, dass das der größte Schicksalsschlag war, den ich irgendwie hätte erleiden können. Von da an sprach ich noch mehr darüber und es hat Monate gedauert, bis ich das Thema endlich halbwegs loslassen könnte. Jetzt, vier Jahre später, bin ich 18 und 1,71 und kann gut damit leben, ohne dass es mich irgendwie belastet.
Weiter ging es damit, dass nach und nach alles anfing, mir total unwirklich zu erscheinen und mich zu verwirren, es kam mir vor, als könnte das alles gar nicht wahr sein was gerade passiert. Ich war in einer Situation und es machte mich einfach fertig weil ich die ganze Zeit denken musste "Das kann doch alles gerade gar nicht passieren". Ich war mir nicht sicher, ob ich träume, ob ich wach bin, oder ob ich überhaupt existiere. Ich begann in Gesprächen völlig zusammenhanglose Sachen zu sagen, schrie plötzlch auf der draußen unter Leuten irgendwas, ging ohne Vorwarnung auf eine vielbefahrene Straße - einfach zu gucken, ob es geht oder ob das alles nur ein "Film" ist, der einfach abgespielt wird.
Ein Punkt, der mit dem letztgenannten mehr oder weniger eng in Verbindung steht, war eine relativ ausgeprägte Paranoia. Ich war an manchen Tagen überzeugt, ich wäre in einer Art Truman Show, alle um mich herum wären Schauspieler und Statisten, die wüssten, was mir als nächstes passiert und mir nur etwas vorspielen würden. An diesen Tagen war mein Bruder für mich nicht mein Bruder, meine Mutter für mich nicht meine Mutter, und meine Freunde für mich nicht meine Freunde. Sie waren alle Meschen, die alles über mich wussten und eingeweiht waren, was mit mir als nächstes passieren würde. Das habe ich beizeiten auch so geäußert "Sag mir was als nächstes passiert!" und so weiter.
Kurzum endete das ganze in einem Psychiatrieaufenthalt mit wenig Erfolg, es ging zweieinhalb Jahre weiter, wenn auch in weniger ausgeprägter Form, bis es Anfang letzten Jahres schlimmer wurde als jemals zuvor, das zog sehr, sehr große Probleme in der Familie sowie vier Monate in der Psychiatrie nach sich, wo ich zum Glück gut auf Medikamente eingestellt wurde. Ich fühle mich wieder fast, wie bevor ich die Krankheit hatte und es kommt nur noch ganz selten und ganz kurz teilweise der Punkt zum Vorschein, dass ich mich an Themen festbeiße.
Ich hoffe ich konnte ein bisschen was aufschlussreiches berichten :)
Liebe Grüße Gabriel