Womit rechtfertigte lenin diesen satz?

8 Antworten

Ich habe diesen Satz, genauer diesen Halbsatz mal gegoogelt und ihn nicht gefunden. Er wäre übrigens ziemlich untypisch für einen Marxisten, wie Lenin einer war.

Lenins Schriften und Aussprüche sind im Internet recht gut dokumentiert. Es wäre hilfreich, wenn du die Quelle für diesen Satz angibst und den Zusammenhang, in dem er stehen soll erläuterst. Dann könnte man dir mit einer Erklärung weiterhelfen und auch bestätigen, dass es sich tatsächlich um eine Lenin-Zitat handelt. Das scheint mir übrigens zweifelhaft, aber eine Quellenangabe könnte diesen Zweifel ausräumen.

Hi PV, Lenin: die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht. Siehe dazu Link in meiner Antwort, aber auch hier. lgO http://www.marx-forum.de/geschichte/sowjetunion/01.html Zitat: Das Hauptargument Lenins dafür war: „Zur zweiten Frage, zur Bedeutung gerade der diktatorischen Macht einzelner Personen vom Standpunkt der spezifischen Aufgaben des gegebenen Moments muss man sagen, dass jede maschinelle Großindustrie – d. h. gerade die materielle, die produktive Quelle und das Fundament des Sozialismus – unbedingte und strengste Einheit des Willens erfordert, der die gemeinsame Arbeit von Hunderten, Tausenden und Zehntausenden Menschen leitet… Wie aber kann die strengste Einheit des Willens gesichert werden? Durch die Unterordnung des Willens von Tausenden unter den Willen eines einzelnen.”[10] Lenin ging in seiner Argumentation zwar von einer richtigen Voraussetzung aus, aber seine Schlussfolgerung war falsch und beweist, dass er mit der Arbeit in der maschinellen Großindustrie nicht vertraut war.

1

Nachdem ich jetzt die Quelle kenne, habe ich mir den Lenin mal zur Brust genommen und musste sogar feststellen, dass ich mich vor 28 Jahren schon einmal damit beschäftigt habe, beschäftigen musste. :-)

Lenin behandelt darin die wichtigsten Probleme der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus. Unter anderem eben auch Fragen der Organisation der Wirtschaft der Kontrolle und auch der Disziplin während der Arbeit. Er schreibt:

Das „Verwaltungs“element stellt Saboteure und Schmiergeldernehmer im Überfluss; das proletarische Element kämpft in seinem besten Teil für die Disziplin; aber unter den einen wie unter den anderen gibt es natürlich viele Schwankende, „Schwache“, die nicht fähig sind, der „Versuchung“ des Schleichhandels, des Schmiergelds, des persönlichen Vorteils zu widerstehen, erkauft um den Preis der Verderbnis des ganzen Apparates, von dessen richtigem Funktionieren der Sieg über Hungersnot und Arbeitslosigkeit abhängt.

Dann bezieht er sich auf das Dekret des Rates der Volkskommissare vom 23. März 1918 „Über die Zentralisierung der Verwaltung, den Schutz der Eisenbahnen und die Hebung der Beförderungsleistung“, mit dem Leitern diktatorische oder unbeschränkte Vollmachten erteilt wurden.

„Auf jedem Schiff, dass dampft und segelt, gibt’s einen, der die Sache regelt.“ :-)) Ich möchte Guido Westerwelle gewiss nicht in eine Reihe mit Lenin stellen, das hat Lenin nicht verdient, aber dieser kleine flockige Spruch leuchtet in dem o. g. Zusammenhang schon ein.

Lenin war sich durchaus der Problematik bewusst:

Es erhob sich eine Frage von wirklich gewaltiger Bedeutung: erstens die prinzipielle Frage, ob überhaupt die Ernennung einzelner Personen, die die unbeschränkten Vollmachten von Diktatoren erhalten, vereinbar ist mit den Grundprinzipien der Sowjetmacht; zweitens die Frage, in welchem Verhältnis dieser Fall – dieser Präzedenzfall, wenn man will – zu den besonderen Aufgaben der Sowjetmacht im gegebenen konkreten Augenblick steht. Auf beide Fragen muss man sehr aufmerksam eingehen.

Er schreibt weiter:

Dass in der Geschichte der revolutionären Bewegungen durch die Diktatur einzelner Personen sehr oft die Diktatur der revolutionären Klassen zum Ausdruck gebracht, getragen, vermittelt wurde, das bezeugen die unwiderleglichen Erfahrungen der Geschichte. Mit dem bürgerlichen Demokratismus war die Diktatur einzelner Personen zweifellos vereinbar. In diesem Punkt aber zeigen die bürgerlichen Schmäher der Sowjetmacht und ebenso ihre kleinbürgerlichen Nachbeter stets Fingerfertigkeit: einerseits erklären sie die Sowjetmacht einfach für etwas Unsinniges, Anarchisches, Barbarisches […]; andererseits fordern sie von uns einen höheren Demokratismus als den bürgerlichen und sagen: Mit eurem bolschewistischen […] Sowjetdemokratismus ist eine persönliche Diktatur absolut unvereinbar. […]

Jetzt kommt’s:

Solche Betrachtungen taugen ganz und gar nichts. Wenn wir keine Anarchisten sind, müssen wir die Notwendigkeit des Staates, das heißt des Zwangs, für den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus anerkennen. Die Form des Zwangs wird bestimmt durch den Entwicklungsgrad der gegebenen revolutionären Klasse, ferner durch solche besonderen Umstände wie zum Beispiel die Erbschaft eines langen und reaktionären Krieges, ferner durch die Formen des Widerstands der Bourgeoisie und des Kleinbürgertums. Deshalb gibt es entschieden k e i n e r l e i prinzipiellen Widerspruch zwischen dem sowjetischen (d. h. dem sozialistischen) Demokratismus und der Anwendung der diktatorischen Gewalt einzelner Personen.

Dein aus dem Zusammenhang gerissener Satz liest sich im Kontext so:

Wie aber kann die strengste Einheit des Willens gesichert werden? Durch die Unterordnung des Willens von Tausenden unter den Willen eines einzelnen. Diese Unterordnung kann bei idealer Bewusstheit und Diszipliniertheit der an der gesamten Arbeit Beteiligten mehr an die milde Leitung eines Dirigenten erinnern. Sie kann die scharfen Formen der Diktatorschaft annehmen, wenn keine ideale Diszipliniertheit und Bewusstheit vorhanden ist. […] Die Revolution hat soeben die ältesten, festesten, schwersten Fesseln zerschlagen, denen sich die Massen zwangsweise gefügt hatten. Das war gestern. Heute aber fordert dieselbe Revolution, eben im Interesse ihrer Entwicklung und Festigung, eben im Interesse des Sozialismus, die unbedingte Unterordnung der Massen unter den einheitlichen Willen der Leiter des Arbeitsprozesses.

Du siehst, Lenin, hat deine Frage selbst beantwortet.

Alle Lenin-Zitate habe ich aus:

(W. I. Lenin ausgewählte Werke in sechs Bänden, Band IV, Seite 360 -362; Dietz Verlag Berlin, 1979)

0
@PeVau

Der Absatz nach "Jetzt kommt's:" ist ebenfalls ein Zitat aus Lenins Schrift. Das ist mir bei der Formatierung leider untergegangen.

0
@PeVau

@PeVau, großes DH für deinen ausführlichen Nachweis mit Erläuterung des gefragten Zitates. Gut zu wissen, dass einige noch nicht müde geworden sind, qualitativ wertvolle Beiträge zu posten.

0
@PeVau

Hi PV, ich habe mich in das mir weitgehend unbekannte parteiliterarische Terrain nur oberflächlich rein gelesen. Gebe unumwunden zu, unbedarfter Laie in dieser Literaturgattung zu sein. Jedoch weiß ich: am Ende gabs Stalin. Und eine unbedingte Unterordnung der Massen unter den einheitlichen Willen der Leiter - klingt das nicht genau nach den altbekannten Schemata aller Diktaturen egal welcher Coleur (Aristokratismus, Feudalismus, Klerikalismus, Kapitalismus, Kommunismus, Soziualismus (Diktatur des Proletariats, siehe Link), Faschismus und was es sonst noch für Ismen geben mag)? Wer nicht für uns ist, ist gegen uns! Siehe Matthäus 11, 23 - Link. Begehe ich da bei Lenin einen Interpretationsfehler? lgO http://www.bibel-online.net/buch/luther_1912/lukas/11/#1 Zitat: 23 Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut

1
@osmond

In einer arbeitsteiligen Gesellschaft bedarf es einer Leitung, um die Kräfte auf ein Ziel auszurichten. Wenn das dann auch noch unter Wettbewerbsbedin- gungen geschieht, muss es zusätzlich noch effizient sein. Leitung erfordert im Umkehrschluss auch Unterordnung. Jedem dürfte klar sein, dass im Arbeits- prozess nicht jede Entscheidung erst durch eine Urabstimmung aller Beteiligten erfolgen kann. Wenn das alleine schon undemokratisch sein soll, dann gibt es keine Demokratie.

Die Frage ist, wessen Interessen dienen die Leiter und wie geschieht deren Willensbildung? Richtig ist, dass es hierbei einer demokratischen Kontrolle und gegebenenfalls auch Korrektur bedarf. Das hat aber Lenin dabei nicht infrage gestellt. Die Leiter sollten gewählt und/oder von gewählten Gremien eingesetzt werden.

An dieser Stelle würde jetzt ein Aufsatz über sozialistische Demokratie, demokratischen Zentralismus, Partei neuen Typs als revolutionäre Vorhut der Arbeiterklasse und deren Umsetzung fällig werden.

Darauf habe ich jetzt aber wirklich keine Lust. :-)

0
@PeVau

Hi PV, also effiziente Produktion - wie beim Militär bzw. in einem Straflager. Ober-Chefe sagt seinen einheitlichen Willen, Unter Chefe leiten/dirigieren (Dirigismus) einheitlich nach unten weiter, Masse ordnet sich unbedingt unter. Wenn nicht durch Einsicht, dann durch Zwang? Andersrum ausgedrückt, würde ein Leiter eines staatlichen Straflagers (bspw. Gulag, Nordkorea) in der Sache anders als Lenin argumentieren? Aber sei´s drum - ich habe Deine Intention schon verstanden. Aber: nicht jeder "rennt wie Hennecke". lgO http://www1.wdr.de/themen/archiv/stichtag/stichtag4756.html

1

In welchen Zusammenhang fiel denn dieser Satz? Er passt nicht wirklich zu Lenin, eigentlich war er ja der Anführer der Revolution, die für Demokratie war. Es wäre also hilfreich, die Quelle zu kennen. Lenin selbst war längst nicht so sehr ein Diktator wie seine Nachfolger, die Diktatur begann eigentlich erst mit Stalin wirklich. Es wäre also wirklich gut, wenn du die Quelle hättest, und in welchem Zusammenhang der das gesagt hat.

Damit, dass es (angeblich) notwendig sei. Jede Diktatur rechtfertigt sich damit, dass es notwendig sei, dass in einer "Stunde der Gefahr" alle zusammen stehen, alle inneren Konflikte beigelegt werden zu hätten. Die Namen, die das Kind bekommt, sind dann verschieden.

Lies bitte das ganze Werk dazu, dann findest Du eine "Rechtfertigung" ("Huckebein" hat Dir den Zusammenhang schon erklärt)!

Dieser Satz wird heute oft genutzt, um alles, was wie "Diktatur" aussieht oder per Propaganda zu einer solchen erklärt wird, zu verteufeln.

In jedem privatwirtschaftlichen und auch in anderen Unternehmen unterwerfen sich heutzutage sehr viele Menschen dem "Willen eines Einzigen" (ansonsten Gefahr des wirtschaftlichen und familiären Ruins).

Und keiner brüllt "Hilfe - Diktatur!"

Mit der normativen Kraft des Faktischen.