Wie kann ich einem Anfänger das Schach am besten beibringen?

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Moin,

es gibt mindestens zwei methodische Ansätze, wie du Schach vermitteln kannst:

1. Die ganzheitliche Methode
und
2. Die analytisch-synthetische Methode

In der ganzheitlichen Methode versuchst du, das Schachspiel in seiner ganzen Vielfalt zu vermitteln. Du besprichst Themen, wenn sie sich anbieten. Das hat Vor-, aber auch Nachteile. Ein Vorteil ist, dass dein Schüler sehr schnell dazu befähigt wird, selbst Partien zu spielen. Einer der großen Lehrmeister des Schachs, Siegbert Tarrasch, der auch als "Praeceptor germaniae" (Lehrmeister Deutschlands) bezeichnet wurde, weil unzählige Groß- und Kleinmeister nach seinen Lehren Schach gelernt haben, hat allerdings davor eindringlich gewarnt, den Lernenden zu früh eigene Partien spielen zu lassen (obwohl alle Anfänger darauf brennen, dies zu tun). Tarrasch war ein klarer Verfechter der zweiten Methode und meinte sogar, dass, wenn man zu früh mit dem Spielen eigener Partien beginne, man nie über das Stadium eines Patzers hinaus kommen würde. Auch wenn ich diesen Zusammenhang nicht für zwingend halte, muss ich doch zugebend erwähnen, dass Schach mitunter so kompliziert ist, dass es besonders Anfänger oft überfordert, mit einem ganzheitlichen Ansatz zurecht zu kommen, was wiederum dazu führen kann, dass der Anfänger es dann tatsächlich nur bis zu einem gewissen (niedrigen) Niveau schafft und deshalb eventuell enttäuscht dem Schachspiel wieder den Rücken kehrt.

In der analytisch-synthetischen Methode besprichst du einzelne Themen im Detail und setzt dann alles wieder zu einem Ganzen zusammen. Das setzt voraus, dass du das Thema vorher selbst untergliedert und in Einzelteile zerlegt hast. Zum Beispiel möchtest du über Taktik sprechen und gliederst vorher das Gebiet in Unterthemen wie a) Einfache Motive: Doppelangriff, Abzugsangriff, Fesselung, Beseitigung des Verteidigers; b) kompliziertere Motive: Felder- und Linienräumung, Felder- und Linienverstellung... usw. Dann gehst du mit deinem Schüler die Motive einzeln durch, zeigst Beispiele und stellst Aufgaben, um am Ende das große Gebiet der Taktik wieder zusammen zu führen.
Tarrasch und andere Meister (zum Beispiel Capablanca) waren außerdem der Ansicht, man solle das Schachstudium mit Endspielen beginnen, weil man dann ein besseres Gefühl für die Möglichkeiten der einzelnen Spielsteine erhalten soll. Das klingt logisch, aber das Studium von Endspielen wirkt auf viele Anfänger abstoßend langweilig.

Ich glaube, ein gutes Vorgehen besteht aus einer Mischung der beiden Extreme. Mal gehst du ganzheitlich vor, mal analytisch-synthetisch. Die Mischung macht's. Auch solltest du Abwechslung in der Lehr- und Lernmethode walten lassen. Mal bist du der Lehrer, der bestimmte Themen quasi im Frontalunterricht erklärt. Dabei lernt dein Schüler den Lehrstoff durch deine Beschreibungen. Mal lässt du deinen Schüler in den Vordergrund treten, indem er Stellungen analysieren oder Probleme lösen soll. Dabei lernt er dann den Lehrstoff entdeckend.

Als nächste Themen nach dem Erlernen der Schachregeln bieten sich meiner Meinung nach an:

1. Das Schachbrett
Begriffe wie Damenflügel, Königsflügel, Zentrum, Halbzentrumsfelder, Linie und Reihe werden hier eingeführt. Auch die algebraische Notation sollte an dieser Stelle geübt werden. Es erleichtert das weitere Training ungemein, wenn dein Schüler diese Begriffe alle versteht, verinnerlicht hat und richtig anwenden kann.
In diesem Zusammenhang zeigst du ihm auch, warum das Zentrum von so großer Bedeutung ist. Das tust du, indem du zuerst einen Läufer nach h1 stellst und deinen Schüler alle Felder zählen und benennen lässt, die dieser Läufer kontrolliert. Dann stellst du den Läufer nach g2 und wiederholst die Übung. Dann das gleiche noch einmal mit dem Läufer erst auf f3, dann auf e4. Dabei kommt heraus, dass der Läufer immer mehr Felder kontrolliert, je näher er dem Zentrum kommt.
Dasselbe machst du dann mit der Dame und wieder wird dein Schüler feststellen, dass auch die Dame immer stärker wird, je näher sie im Zentrum postiert werden kann.
Nun folgt der Springer (der nacheinander auf die Felder h1, g1, g2, f2, g3, f3 und e4 gestellt wird). Dabei wird dein Schüler zwar entdecken, dass der Springer zunächst ebenfalls immer mehr Felder kontrolliert (2, 3, 4, 6), je weiter er sich vom Rand entfernt, aber dass er ab Feld g3 stets die gleiche Anzahl von Feldern kontrolliert, nämlich 8. Aber nun fragst du ihn, wo diese Felder liegen?! Dann wird er feststellen, dass ein Springer auf g3 ausschließlich Felder kontrolliert, die auf dem Königsflügel liegen, während er auf f3 zwei Felder auf dem Damenflügel und sechs Felder auf dem Königsflügel kontrolliert. Auf e4 stehend, kontrolliert ein Springer jeweils vier Felder auf beiden Flügeln. Das bedeutet, dass auch der Springer immer stärker wird, je näher er dem Zentrum kommt, weil zwar die Felderzahl ab einem bestimmten Standort nicht mehr wächst, wohl aber seine Beweglichkeit, die sich im Erreichen beider Flügel niederschlägt.
Beim König ist das ähnlich wie beim Springer, wenn auch schwächer ausgeprägt.
Zum Schluss schaut ihr euch das noch für den Turm an. Er stellt fest, dass der Turm immer gleich viele Felder kontrolliert.
Wenn er das verstanden hat, hast du es (teilweise) leichter, ihm die folgenden zehn goldenen Eröffnungsregeln näher zu bringen.

2. Die 10 goldenen Eröffnungsregeln
1. Regel: Besetze mit einem Bauern das Zentrum (Spiele 1. e4 oder 1. d4).
Gründe: Erstens machst du Wege für deine Figuren frei. Zweitens kämpfst du so ums Zentrum und hinderst deinen Gegner daran, die starken Zentrumsfelder mit seinen Figuren zu betreten (--> Bedeutung des Zentrums!).
2. Regel: Entwickle deine Figuren - erst die Springer, dann die Läufer.
Gründe: Die Figurenentwicklung ist wichtig, weil man nur erfolgreich angreifen kann, wenn die Schlagkraft der Truppe groß ist; die Springer sollen zuerst entwickelt werden, weil die besten Standorte für sie meist schon bekannt sind (f3 und c3 resp. f6 und c6). Erinnere ihn daran, warum h3 meist kein gutes Entwicklungsfeld für den Springer g1 ist (--> Bedeutung des Zentrums; Spruch: »Springer am Rand bringt Kummer und Schand'.«). Lass ihn erklären, warum 1. e4 und 2. Se2 weniger wirkungsvoll ist (--> Regel 7). Der beste Standort für die Läufer ist dagegen längst nicht so klar.
3. Regel: Vermeide (zu) viele Bauernzüge in der Eröffnung. Vermeide vor allem Randbauernzüge.
Grund: Figurenentwicklung ist oberstes Gebot (--> Regel 2); ein Bauernzug ist praktisch nie ein Entwicklungszug, allenfalls ein Vorbereitungszug für eine Figurenentwicklung. Außerdem: Jeder Bauernzug schwächt immer ein bisschen die eigene Stellung (und kann nicht zurückgenommen werden). Mit zwei, maximal drei Bauernzügen sollte man auskommen, es sei denn, es gibt handfeste Gründe für mehr Bauernzüge (zum Beispiel weil die Errichtung eines starken Vollzentrums - Be4 & Bd4) - winkt).
4. Regel: Vermeide verfrühte Angriffe mit deinen Figuren. Ziehe also nicht ohne Not eine bereits entwickelte Figur ein weiteres Mal.
Grund: Entwicklung ist oberstes Gebot (--> Regel 2); mehrfaches Ziehen mit bereits entwickelten Figuren kostet Zeit...
5. Regel: Entwickle deine Dame nicht zu früh.
Grund: Eine vorpreschende Dame wird oft durch die Figuren des Gegners bedroht, was Zeit kostet, weil die Dame den Angriffen ausweichen muss.
6. Regel: Bringe deinen König in Sicherheit; das geschieht fast immer am besten durch eine Rochade. Häufig ist die kurze Rochade besser als die lange.
Grund: Wenn man den König verliert, ist die Partie verloren. Ein in der Mitte steckengebliebener König ist oft ein leicht zu erlegendes Ziel.
7. Regel: Gehe nicht in der Eröffnungsphase auf Bauernjagd und vermeide es, deine Steine so aufzustellen, dass sie sich gegenseitig behindern.
Grund: Beides kostet wertvolle Entwicklungszeit.
8. Regel: Verbinde deine Türme auf der Grundreihe (zum Beispiel durch eine Rochade).
Grund: Die Türme sollten wie die Leichtfiguren aktiviert werden; das geht am besten, wenn sie freies Spiel auf der Grundreihe haben.
9. Regel: Stelle deine Türme auf (halboffene oder offene) zentrale Linien (d-Linie & e-Linie; manchmal auch c-Linie & d-Linie oder e-Linie & f-Linie... - je nach gewählter Eröffnung).
Grund: Die Türme brauchen halboffene oder offene Linien, um maximal wirken zu können. Anders als Leichtfiguren brauchen sie nicht direkt ins Zentrum gestellt zu werden, um maximal wirken zu können (--> Bedeutung des Zentrums).
10. Regel: Finde schwache Punkte im Lager deines Gegners und versuche die Entwicklung deiner Figuren von Anfang an so zu gestallten, dass sie zusammen wirken und die schwachen Punkte angreifen können (oder zumindest eine Attacke dagegen indirekt unterstützen können).

Mit diesen beiden Themen kannst du bestimmt locker 4 bis 5 Stunden füllen. Suche Beispielpartien für jede goldene Eröffnungsregel heraus. Spiel mit ihm Partien und suche nach Verstößen gegen die goldenen Eröffnungsregeln usw.

Ansonsten solltest du anfangs folgendes mit ihm üben: Mattsetzen mit König und Dame gegen König; Mattsetzen mit Turm und König gegen König. Einfachste Bauernendspiele (Bauernquadrat; wie ein Mehrbauer gewinnt; gedeckter Freibauer; entfernter Freibauer). Turm-Endspiele: Lucenas Brückenbau; Philidor-Remisstellung.
Leichte taktische Motive. Mattbilder (mit Übungen des Wiedererkennens). Partien spielen und analysieren (lassen). Meisterpartien nachspielen und herausfinden, was sich die Meister wohl gedacht haben. Empfehlenswert sind dabei eher klassische Meister (zum Beispiel Tarraschs Buch »300 Schachpartien«).
Wenn er Eröffnungen kennenlernen will, bieten sich für Weiß Schottisch; Urussow-Gambit, Königsindischer Angriff; Colle-System und Damengambit an. Sie folgen mehr oder weniger den goldenen Eröffnungsregeln und bieten gute Gewinnmöglichkeiten, weil ihre Varianten überschaubar, leicht zu verstehen und relativ leicht zu spielen sind. Der Königsindische Angriff hätte zudem den Vorteil, dass man ihn auch gegen Sizilianisch oder Französisch anstreben kann. Für Schwarz sollte er auf 1. e4 mit 1. ... e5 antworten und am Anfang eventuell Russisch und das Vierspringerspiel erlernen. Auf 1. d4 sollte er 1. ... d5 antworten, weil er dann sein Wissen über das Damengambit oder das Colle-System auch mit Schwarz abrufen kann. Abraten würde ich von Französisch oder Sizilianisch am Anfang, weil beide Eröffnungen extrem komplex sind.

Später, wenn er taktisch sicherer geworden ist und sich in seinen (klassischen) Eröffnungen sicher fühlt, kannst du an eine Erweiterung seines Wissens herangehen. Hinterfrage, ob 1. e4 oder 1. d4 wirklich nötig sind. Diskutiere mit ihm hypermoderne Ansichten und das Fianchetto. Besprich mit ihm positionelle Aspekte des Spiels (schwache Felder, Isolani, Doppelbauer; rückständiger Bauer; Minoritätsangriff...).
Turmendspiele, Leichtigurenendspiele, Damenendspiele; König und Dame gegen König und Bauer...
Als Eröffnungen kommen nun auch Französisch oder Sizilianisch sowie Indische Systeme gegen 1. d4 in Frage...
Da Schach zu 99% aus Taktik besteht, solltest du ihn jedesmal zum Aufwärmen drei bis fünf Taktikaufgaben (deren Motive er schon kennt) lösen lassen. Mattangriffe üben (Läuferopfer auf h7; doppeltes Läuferopfer...).

Mit diesem Programm kannst du locker ein ganzes Jahr füllen. Es hängt ein bisschen davon ab, wie oft ihr euch trefft, wie gut du Material zusammenstellen und aufarbeiten kannst, wie begabt du als Lehrer und er als Schüler ist usw. 

Ich hoffe, du kannst damit etwas anfangen. Wenn du noch Näheres wissen willst, frag ruhig nach...

LG von der Waterkant.

Als ich Schach lernte, war das Internet nicht weit verbreitet und Bücher über Schach habe ich mir auch keine gekauft. Wichtig ist, üben, üben, üben und immer wieder spielen. Wenn er weiß, wie die Figuren gehen können, bekommt er nach und nach mit, wo welche Figur geschlagen werden kann.

Dass er taktische Motive erkennt, das kommt nicht von jetzt auf gleich. Das dauert seine Zeit.

Neben Schach kann ich noch Discofox tganzen. Anfangs war das bei mir eine "Katastrophe" gewesen. Dadurch, dass ich immer und immer wieder tanze, bin ich ein relativ guter Tänzer, denke ich. Das kommt durch das immer wieder üben und am Ball bleiben. Interesse am Schach sollte dein Bekannter auch haben.

Natürlich. Als erstes sollte man klären,wie sich diverse Figuren bewegen,welche Spezial-Aktionen man ausführen kann "Läufer an die Ziellinie" - "Rochade" ect. Danach einfach mal spielen. einige Runden über einige Tage. Er wird von dir lernen. Und taktisches denken beim Schach muss jeder für sich selber finden!

Weltmeister Botwinnik sagte einst: „Schach kann man nicht lehren, man kann es nur lernen!“

Jede Schachpartie ist eine Sammlung guter wie sehr guter Beispiele. Man muss während jeder Spielphase (Eröffnung, Mittelspiel und Endspiel) sein Denken immer wieder der konkreten Position auf dem Brett anpassen. Wer das am besten kann, wird „erfolgreicher“ Spielen als andere Schachspieler.

Ob man ein Schachbuch mit 100, 1.000 oder 10.000 Seiten schreibt bzw. liest, ist dabei völlig irrelevant. Entweder der Schachschüler lernt die Zusammenhänge der Figuren oder er lernt sie auch nach 10.000.000 Beispielen nicht. Man darf hier als Lehrer eigentlich nur Zurückhaltung üben, den Schülern die Schachregeln erläutern und sie dann spielen lassen. Alles andere ergibt sich …

Man mag zwar den einen oder anderen Schüler in den Schulen Denkanstösse in Mathematik, Physik und anderen Fächern geben, nur müssen sie dann auch irgendwann selbst das Denken anfangen. Genau dies kann man aber nicht lehren (s.o.). Irgendwann sind die Zusammenhänge dieser Schulfächer oder auch beim Schach einfach zu komplex und genau hier setzt eigentlich das Denken beim Schachspiel an, welches niemand vermitteln kann.

Durch die spielerische Praxis stellt man am Ende einer Partie fest, man hat besser (Sieg!!), gleich gut (unentschieden) und „schlechter“ (Verlust?!) „gedacht"! Dabei gilt festzuhalten, dass auch ein Sieg nicht unbedingt etwas über die Qualität der Züge bzw. Spielführung aussagt. Auch ein Sieger kann den einen oder anderen Fehlzug in einer Partie gemacht haben, wenn der oder die Fehler nicht vom Verlierer ausgenutzt wird.

Du sagst, er kennt die Regeln schon. Aber du sagst leider nicht, wie alt er ist. Denn es gibt ganz unterschiedliche Methoden des Trainings. Beispielsweise werden die Jugendlichen im Schachverein anders motiviert, wie die Erwachsenen.

Die Jugendlichen machen nur ein paar Minuten richtiges Training, wie Stellung analysieren (Was ist der beste Zug?) oder bestimmte Eröffnungen / kurze Partien nachspielen.

Aber die Erwachsenen oder Jugendliche, die sich besser und länger konzentrieren können, analysieren wirklich bestimmte Stellungen und lernen bestimmte Regeln. Wann ist mit einem Mehrbauern Remis und wie muss der König im Bauernendspiel richtig ziehen?

Allgemein würde ich sagen, dass es sehr schwer sein kann, Anfänger genügend zu motivieren, weiter Schach zu spielen, wenn sie zu oft verlieren.

Ich kann dir z.B. sagen, wie ich Schach von meinem Opa früher gelernt habe. Er war natürlich viel stärker, nahm am Anfang aber seine Dame raus, damit ich eine Chance hatte, später einen Turm oder andere Leichtfigur. Das war nur eine Methode.

Was die Taktik für Anfänger sein sollte, damit sie ein Grundverständnis bekommen, sollte das Zusammenspiel der Figuren sein. Läufer und Springer auf strategisch gute Positionen sind schon die halbe Miete. Immer versuchen, einzuschätzen, ob der Springer oder Läufer in der Stellung stärker ist. Und auch immer versuchen, die eigenen schwachen gegen die gegnerischen starken Figuren zu tauschen! 😊

Es gibt im Internet z.B. aber auch Schachseiten, wo hunderte Taktikaufgaben sind zum üben. Matt in ein, zwei, drei Zügen oder bester Zug. Onlineschach (Fernschach oder live-Schach) können aber auch gutes Training sein. Vor allem, wenn man viele Partien spielt, auch gegen gleichstarke Gegner dann.

Wichtig ist nur, dass man immer wieder Erfolgserlebnisse hat.

Woher ich das weiß:Hobby – Schiedsrichterpatent und seit über 20 Jahren Vereinsspieler