Was sind die theoretischen Postulate Kants?

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Der Begriff "theoretisches Postulat" ist eigentlich doppeltgemoppelt. Nach Wikipedia stammt "Postulat von lat.: postulatum = „Gefordertes, Erbetenes, vor Gericht beanspruchtes oder Behauptetes. Soetwas ist immer theoretisch. Es ist eine "gedankliche Setzung". Insofern ist die ganze Philosophie Kants ein Postulat, eine behauptete Theorie. Jetzt gibt es eine breite Philosophie Kants, die sich einmal mit den Bedingungen menschlichen Erkennens befasst und da die a-priori-Kategorien setzt. Dann gibt es die Postulate der Praktischen Vernunft, die zusammengefasst im kategorischen Imperativ zum Ausdruck kommen. Nach Kant ist ein Imperativ ja nichts anderes als ein theoretisches Handlungspostulat. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Du die ganze Philosophie Kants referieren sollst. D.h. Du müsstest herausfinden, welches Verständnis Deine Lehrerin davon hat, was Du evtl. in Deinen Unterrichtsaufzeichnungen - falls vorhanden - finden könntest oder in einem persönlichen Gespräch. Alles andere ist Stochern im Heu.

Ich empfehle, bei der Lehrerin noch einmal nachzufragen, was sie genau meint.

Bei den Einflüssen auf die (Weimarer) Klassik ist die Kritik der Urteilskraft (1790) wichtig, in der Kant eine Ästhetik darlegt. Besonders Friedrich Schiller hat sich damit auseinandergesetzt und eine ästhetische Theorie mit eigenen Gedanken entwickelt. Für den zur Ethik (Moralphilosophie),die praktische Philosophie ist, gehörenden Gedanken, das Gute existiere als guter Wille, und den grundlegenden kategorischen Imperativ verwendet Immanuel Kant nicht die Bezeichnung theoretische Postulate.

Postulate sind Theorie.

Ein Postulat ist eine (unbedingte) Forderung, eine (notwendige) Annahme/These, die aber nicht bzw. noch nicht bewiesen werden kann.

Immanuel Kant entwickelt Postulate der reinen praktischen Vernunft. Diese sind (Immanuel Kant, Kritik der praktischen Vernunft. Zweites Buch. Dialektik der reinen praktischen Vernunft. Zweites Hauptstück. Von der Dialektik der reinen Vernunft in Bestimmung des Begriffs vom höchsten Gut. VI. Über die Postulate der reinen praktischen Vernunft überhaupt, A 238/AA V 132):

  • Unsterblichkeit (unendliche Fortdauer der Persönlichkeit)

  • Freiheit (Kausalität eines Wesens, sofern es zur intelligiblen Welt gehört)

  • Dasein Gottes

In Bezug auf die theoretische (reine) Vernunft kommen bei Kant nicht Postulate vor, sondern Ideen. Kant verwendet als Bezeichnungen z. b. transzendentale Ideen (transzendental bedeutet, die Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung betreffend) oder Begriffe der reinen Vernunft.

Regulative Ideen der Vernunft sind als Voraussetzungen nötig (z. B. die Welt, um sich eine mit sich selbst identische und sich selbst tragende Außenwelt vorzustellen). Solche Versuche, das Absolute und Unbedingte erkennen zu wollen, begeben sich allerdings in den Bereich unsicherer Spekulationen.

Über das Ding an sich (das Ding an sich selbst betrachtet) ist für die Menschen nach Meinung von Immanuel Kant kein Wissen möglich, nur Spekulation (die Analogien verwenden kann). Der Verstand ist für Erkenntnisse über die Welt auf sinnliche Anschauung angewiesen. Für Erkenntnis sind reine Verstandesbegriffe erforderlich, ihr Gebrauch ist aber an die Sinnlichkeit gebunden. Die Menschen müssen Dinge an sich als Ursache von Erscheinungen und ihrer Bestimmtheit annehmen, ohne ihr Wesen mit sicherer Erkenntnis bestimmen zu können. Das Ding an sich ist ein den Erscheinungen zugrundeliegendes transzendentales Objekt.

Erscheinungen sind bei Kant Objekte, wie sie einem Subjekt erscheinen (und zwar allgemein allen erkennenden Subjekte, da ihre Sinne und ihr Verstand grundlegend gleich sind). Der Zugang zur Welt der Erscheinungen geschieht mit Anschauungsformen wie z. B. Raum, Zeit, Kausalität und anderen Kategorien. Das Subjekt konstituiert (stellt hin, begründet, errichtet) mit seinen Bedingungen der Möglichkeit für Erkenntnisse die Erscheinung.

Mit „Dinge an sich“ wird von Kant ausgedrückt, daß etwas vom Subjekt Unabhängiges als an der Wirklichkeit beteiligt gedacht werden muß.

Nach Kant können die Vorstellungen allgemeine drei Beziehungen haben.

Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft. I. Transcendentale Elementarlehre. Zweiter Teil. Die transcendentale Logik. Zweite Abteilung. Die transcendentale Dialektik. Erstes Buch. Von den Begriffen der reinen Vernunft. Zweiter Abschnitt. Von den transscendentalen Ideen, B 391/AA III 258:

„1. das Verhältniß zum Subject, 2. zum Mannigfaltigen des Objects in der Erscheinung, 3. zu allen Dingen überhaupt.

Nun haben es alle reine Begriffe überhaupt mit der synthetischen Einheit der Vorstellungen, Begriffe der reinen Vernunft (transscendentale Ideen) aber mit der unbedingten synthetischen Einheit aller Bedingungen überhaupt zu thun. Folglich werden alle transscendentale Ideen sich unter drei Classen bringen lassen, davon die erste die absolute (unbedingte) Einheit des denkenden Subjects, die zweite die absolute Einheit der Reihe der Bedingungen der Erscheinung, die dritte die absolute Einheit der Bedingung aller Gegenstände des Denkens überhaupt enthält. Das denkende Subject ist der Gegenstand der Psychologie, der Inbegriff aller Erscheinungen (die Welt) der Gegenstand der Kosmologie, und das Ding, welches die oberste Bedingung der Möglichkeit von allem, der Theologie. Also giebt die reine Vernunft die Idee zu einer transcendentalen Seelenlehre (psychologia rationalis), zu einer transcendentalen Weltwissenschaft (cosmologia rationalis), endlich auch zu einer transcendentalen Gotteserkenntnis (theologia transscendentalis) an die Hand.“

Albrecht  07.10.2012, 22:56

B 394 – 395/AA III 260:
„Zuletzt wird man auch gewahr: daß unter den transscendentalen Ideen selbst ein gewisser Zusammenhang und Einheit hervorleuchte, und daß die reine Vernunft vermittelst ihrer alle ihre Erkenntnisse in ein System bringe. Von der Erkenntniß seiner selbst (der Seele) zur Welterkenntniß und vermittelst dieser zum Urwesen fortzugehen, ist ein so natürlicher Fortschritt, daß er dem logischen Fortgange der Vernunft von den Prämissen zum Schlußsatze ähnlich scheint.“ Fußnote: „Die Metaphysik hat zum eigentlichen Zwecke ihrer Nachforschung nur drei Ideen: Gott, Freiheit und Unsterblichkeit, so daß der zweite Begriff, mit dem ersten verbunden, auf den dritten als einen nothwendigen Schlußsatz führen soll.“

Es gibt also nach Kant drei Arten transzendentaler Ideen:

1) Einheit des „Ich denke“, des denkenden Subjekts (und damit der Seele)

2) Einheit der Reihe der Bedingungen der Erscheinung, eine umfassende, zusammengehörige Welt

3) Einheit der Bedingung aller Gegenstände des Denkens (gedacht als ein höchstes Wesen, Gott)

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