Warum war der nahe Osten sehr viel früher weiter entwickelt als die westliche Welt?

8 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich sage es mal ganz einfach, ohne aus der Antwort eine Doktorarbeit zu machen. Die Religion war Schuld!

Das lateinische Christentum hat im Abendland die alte antike Kultur zerstört und altes antikes Wissen vergessen lassen. Anstatt zu leben und das Leben zu verbessern, hat man sich auf das Jenseits vorbereitet, antike Bildungstraditionen vernachlässigt und als ketzerisch gebrandmarkt.

Erst mit dem ausgehenden Mittelalter wurden langsam die religiösen Fesseln für die Wissenschaft gelockert, die immer mehr ein Hindernis für Wirtschaft und Gesellschaft darstellten. Mit großen Erfindungen, Entdeckungen und neu erwachter Lust an Wissenschaft ("Oh Jahrhundert! Oh Wissenschaften: Es ist eine Lust, zu leben." - Ulrich von Hutten, 1518) erwachte das christliche Abendland und machte sich auf, den Vorsprung des Orients aufzuholen. Mit der Aufklärung begann sich Europa vom Christentum zu emanzipieren. Bildung, nicht nur Bibelkenntnis, wurde ein hohes Gut und es entwickelte sich eine Kultur des Wissens und des Wissenserwerbs.

Der Orient hatte diese Startschwierigkeiten nicht. Teilweise auch christlich, wurde hier aber kein Bildungskahlschlag betrieben. Antike Wissenschaft geriet nicht ins Vergessen und wurde weiter gepflegt. So kam es, dass im Mittelalter das abendländische Europa im Vergleich mit dem Orient ein Hort der ungebildeten, rückständigen Barbaren war. Der Islam übernahm die antike Wissenskultur und förderte sie. So wurde das islamische Emirat von Cordoba (später Kalifat) eine Hochburg von Kultur und Wissenschaft in Europa.

Allerdings gab es auch schon damals religiöse Scharfmacher, denen die Verweltlichung der Kultur durch Wissenschaft ein Dorn im Auge waren. Anstatt sich von der Religion zu emanzipieren, gewann diese immer größeren Einfluss, womit vor allem auch die Geisteswissenschaften, die Philosophie auf den absteigenden Ast geriet. Berühmte arabische Philosophen, die in der Tradition griechischer Philosophie mit Logik und Argumentation Unklarheiten und scheinbare Widersprüche ihrer Religion zu beseitigen versuchten, wurden zunehmend zur Zielscheibe von Angriffen durch islamischen Traditionalisten.

In dieser wachsenden Denkfeindlichkeit konnten sich auch die Wissenschaften nicht weiter entwickeln. Auf eine Belebung der Wissenschaften und der Kultur durch eine islamische Aufklärung wartet man bis heute. So geriet die ehemals fortschrittliche islamische Welt in die koloniale Abhängigkeit von Europa, was für die Entwicklung natürlich auch nicht förderlich war.

Was kann man daraus lernen?
Religionen sind ein Hemmnis für wissenschaftlich-technischen und kulturellen Fortschritt. Je stärker die traditionalistische, die fundamentalistische Auslegung der Religionen, desto größer das Hemmnis.
Will sich die heutige islamische Welt aus ihrer Zweitklassigkeit befreien, muss sie den Weg der Säkularisierung von Staat und Gesellschaft beschreiten. Eine Hinwendung zur Religion ist kontraproduktiv.

grandpied 
Fragesteller
 08.07.2013, 18:56

Sehr gut erklärt!

Ich danke Ihnen vielmals für die informative Antwort!

2
aptem  09.07.2013, 01:53

Das ist eine sehr einseitige und damit subjektive Sichweise.

Die Religion war Schuld!

Schlichtweg nicht wahr. Religion war nur ein Instrument aber nicht der Ursprung.

Das lateinische Christentum hat im Abendland die alte antike Kultur zerstört und altes antikes Wissen vergessen lassen.

Welche antike Kultur und Wissen? Griechen und Römer haben nie ganz Europa kontrolliert. Rom noch dazu war die Wiege vieler Übel der modernen Zivilisation. Das ist eine sehr eurozentrische Ansicht, dass die griechisch-römische Antike eine so grossartige Kulturwiege war. Es ist eher die heidnische Kultur der nicht von Griechen und Römern kontrollierten Völker zerstört worden.

es entwickelte sich eine Kultur des Wissens und des Wissenserwerbs.

Es entwickelte sich leider nur die Kultur des technischen Wissens. Was Kriege und Eroberung effizienter machte aber nicht die Menschen.

Religionen sind ein Hemmnis für wissenschaftlich-technischen und kulturellen Fortschritt. Je stärker die traditionalistische, die fundamentalistische Auslegung der Religionen, desto größer das Hemmnis.

Eigtl. grundfalsch. Man darf Religionen und ihre weltlichen Ablegerorganisationen nicht verwechseln, die als MAchtinstrumente eingesetzt werden. Der technische Fortschritt ohne geistige Entwicklung ist zur Nemesis der Menschheit geworden, gerade weil man Religion und das Studium des Nichtoffensichtlichen ad acta gelegt hatte.

Will sich die heutige islamische Welt aus ihrer Zweitklassigkeit befreien, muss sie den Weg der Säkularisierung von Staat und Gesellschaft beschreiten.

Eine eurozentrisch-chauvinistische Sichtweise. Welche Zweitklassigkeit? Ich sehe keine ausser der erzwungen technischen? Der Glaube Europäer wären aufgeklärter ist ein Irrglaube. Europäer sind dumme Schafe mit BBC und ARD als Hirten.

Säkularisierung ist kein Heilmittel. Man muss auch nicht der Welt vorschreibe was Europa für richtig hält. Säkularisierung ist ein Eurokonzept.

Eine Hinwendung zur Religion ist kontraproduktiv.

Bestimmt nicht. Eine Hinwendung zu radikalen, dogmatischen Strömungen in Religionen ist es.

2
grandpied 
Fragesteller
 10.07.2013, 21:46
@aptem

Bestimmt nicht. Eine Hinwendung zu radikalen, dogmatischen Strömungen in Religionen ist es.>

Da stimme ich dir allerdings zu! Auch zu einigen Punkten, die du in deiner eigenen Antwort beschrieben hast.

Aber den Rest sehe ich wie PeVau. Es ist trotzdem deine Sichtweise und ich lehne sie nicht vollkommen ab! Danke

3

VIELLEICHT hat es an der geographischen lage gelegen: dort wo viele reisende entlangkommen und ein ausgeprägter handel stattfindet, fließen informationen,fragestellungen und deren lösungen so nebenbei: "haste schon gehört?" wenn man dasund das soundso macht, dann passiert folgendes.....

Das klassische Wissen der Antike ging im Westen durch das aufkommende Christentum unter, weil dieses Wissen als "heidnisch" galt. In derselben Zeit entstand der Islam, der anfangs wissenschfatsfreudig war und dem Wissen der Antike eine Heimat bot. Wissenschaft galt in der frühen islamischen Welt als wichtig und wurde gefördert. HIerbei spielte auch die religiöse Toleranz des Islams eine Rolle, insofern als zB jüdische Denker und Forscher in den kulturellen Zentren des Islams geduldet waren.

Erst als Al-GHazali Ende des 11. Jahrhunderts die islamische Theologie zur wichtigsten und letztlich einzigen auszuübenden WIssenschaft machte, ging die Blütezeit des Islams unaufhaltsam zu Ende. Von da an versank der Islam mehr und mehr in jenen Zustand, den das Christentum wegen der einzigen Konzentrietrung auf religiöse Dinge Jahrhunderte lang innehatte. Gleichzeitig begann man jedoch im Christentum, mehr und mehr die religiösen Zwänge abzustreifen, so dass binnen weniger Jahrhunderte der Westen zum Zentrum des WIssens und der Philosophie wurde, während die islamische Welt in religiösen Ideen versank.

grandpied 
Fragesteller
 08.07.2013, 00:41

Ich hätte jetzt nicht gedacht, dass die Hauptursache die Religion ist (obwohl ich selbst arabischer Herkunft bin), aber es klingt jedenfalls einleuchtend! Das heißt wegen diesem einen Mann Al-Ghazali ist die Wissenschaft im Nahen Osten "untergetaucht" und die Fundamentalisten sind sozusagen auferstanden?! Sehr Schade.. sowas wichtiges könnte man im Geschichtsunterricht ruhig ansprechen, da viele ein falsches Bild davon haben.

Danke für deine Antwort!

0

Da sind sehr entscheidende Fehler in Deiner Sichtweise:

1.Du bist dem in Europa sehr gepflegten Mythos vom Fortschritt erlegen. Mit nüchternem Blick muss man sagen, dass nur Technik eine Entwicklung durchgemacht hat in den letzen 2000 Jahren. Auf restlichen Gebieten selbst der klassischen Wissenschaften stagniert die Menschheit brav vor sich hin, doch ist die fälschliche Wahrnehmung verbreitet Plasma-Fernseher würden "Fortschritt" bedeuten. Deswegen ist die Aussage über "Schritthalten mit der Gegenwart" sehr fragwürdig.

2.Du hast nicht die Perspektive zu der Menschheitsgeschichte. Selbst wenn man den anerkannten Geschichtswissenschaft folgt so sind erste Hochkulturen weit weg von Europa entstanden. Daher ist es auch gar kein Wunder, dass Europa eher der Hinterhof von Kultur und Wissenschaft war lange Zeit. Und auch die Blüte der muslimisch-arabischen Welt kam nicht aus dem Nichts sondern baute auf früheren Hochkulturen auf, von denen sie gezehrt haben in den von ihnen eroberten Regionen. Das passierte auch mit "barbarischen" Europäern, die als Eroberer kamen um später den kulturellen Schatz zu entdecken in den eroberten Gebieten. Du darfst nicht vergessen, dass auch Araber und Islam eine Kultur der brutalen Eroberer war ursprünglich, die sich später die Wissenschaften und die Kultur aneignete, die sie im Nahen und mittleren Osten vorfanden.

3.statt dessen macht die arabische Welt derzeit mehr durch negative Schlagzeilen auf sich aufmerksam und steht dem Fortschritt eher negativ gegenüber.

Das ist eine extrem propagandaverseuchte Aussage. "Negative Schlagzeilen" werden doch von westlichen Medien produziert und diese sind weder objektiv noch daran interessiert objektiv zu sein. Die arabische Welt heute ist das was sie ist und sie ist sehr vielfältig(man kann doch nicht VAE z.B. und Libyen in einen Topf werfen) aber sie ist ganz bestimmt nicht das was im Westen durch Propaganda daraus gemacht wird. Welche negativen Schlagzeilen? Von der westlichen Welt inszenierte Bürgerkriege? Vom Westen inszenierter Terrorismus? Die Radikalisierung des Islam in vielen aber nicht allen Ländern ist natürlich ein Problem, die Armut und die daraus resultierenden Probleme sind auch da. Aber wenn man wieder tiefer gräbt sieht man schon wieder erst die europäischen Kolonosatoren und später die Weltaufteiler des Kalten Krieges dahinter. Geopolitisch sind die Europäer und die Amerikaner zur Zeit und die SU früher daran interessiert, dass diese Länder in Armut und religiösem Fanatismus versinken.

Die Welt des US-Europäischen "Fortschritts" ist keine heile Welt, der man unbedingt entgegenstreben sollte. Diese Welt ist verlogen, ausbeuterisch gegenüber Menschen, Ländern, Natur, sogar menschenfeindlich. Klar radikaler Islamismus ist auch kein Gegenkonzept entgegen dem was die sog. "Hassprediger" vermitteln wollen, aber man muss nicht der ganzen Welt vorschreiben wie sie zu leben hat. Diese Krankheit der Europäer sollte man dringend bekämpfen.

Die arabische Welt steht dem "Fortschritt" nicht negativ gegenüber. Sie ist a.nicht bereit das Konzept des "weissen Mannes" einfach zu übernehmen b.Menschen überall auf der Welt glauben das was ihnen eingetrichtert wird.

4.Wissenschaftler sterben immer. Normalerweise wachsen aber immer neue Wissenschaftler nach, die auf die schon vorhandenen Erkenntnisse aufbauen.. warum ist das im Laufe der Zeit alles untergegangen?!

Warum bauen wir nicht auf dem Wissen der Alten auf? Warum wollen wir nur bessere Raketen bauen und kümmern uns nicht um die geistige Entwicklung des Einzelnen?

5.dabei waren die Araber doch die Vorreiter der Wissenschaft?!

Nochmal, sie waren Vorreiter in eine kurzen Periode der Geschichte. Das ist normal. Hochkulturen kommen und gehen. Es gibt eine Menge Theorien dazu von Historikern und Philosopen. Das scheint ein soziales Phänomen in einer Gesellschaft zu sein. Es kommt die Phase des aggressiven Wachstums mit Krieg und Eroberung, danach folgt die Blütezeit der Kultur und Wissenschaft, dann aber unweigerlich Dekadenz und Verfall.

grandpied 
Fragesteller
 08.07.2013, 18:50

Ich brauche mir nichts unterstellen zu lassen. Ich habe einfach nur aus Interesse gefragt! Wieso sollte ich eine negative Aussage gegen den Islam oder den Arabern machen?! Ich bin selber Araber und Muslim. Das ist ziemlich paradox.

Ich denke, du hast meinen Text einfach zu ernst genommen. Hier herrscht Meinungsfreiheit und ich habe nicht gesagt, dass ich undankbar bin in Europa zu leben oder gar das nicht schätze!

Danke trotzdem für die Mühe.

2
aptem  09.07.2013, 01:31
@grandpied

Ich unterstelle auch nichts. Ich lese was ich lese. Du bist beeinflüsst von europäischer Propaganda. Araber sind auch nur Menschen. Sie beeinflüsst Dich genauso wie andere Menschen, die in Europa leben.

0

Die arabische Welt war aus vielen Gründen früh weiter entwickelt. Das Klima war lange Zeit günstig, große Teile waren vergleichsweise dicht besiedelt und es haben sich Städte gebildet. Das von Römern und anderen Völkern übernommene Verkehrsnetz war ebenfalls dem in Europa weit voraus. Auch gab es vielerorts ein hohes Maß an staatlichen Strukturen. Dagegen steht Europa: In der Zeit war das Klima kühler und Ackerbau war schwieriger, es gab kaum Städte oder überhaupt Menschen - was sich erst mit dem Hochmittelalter änderte. Staaten gab es keine, Fehden waren im Früh Mittelalter weit verbreitet.

Besonders wichtig finde ich sind die Städte. Da in Städten viele Leute zusammen kommen, sei es um zu wohnen oder um zu handeln, entstehen durch den größeren Informationsaustausch schneller Ideen. In wie weit die Araber darin verwickelt waren kann ich nicht sagen, ich würde eher vermuten, dass sie profitierten.