Skythen - Tattoo!?

1 Antwort

An skythischen Mumien sind tatsächlich mit Aufwand kunstvoll gestaltetet Tätowierungen, die größere Flächen der Haut bedeckten, gefunden worden. Die Mumien stammen aus Grabhügeln (‹Kurganen›), die ganz oder teilweise vereist sind. Im Permafrostboden wurden sie konserviert. Zumindest bei den Skythen der Pazyryk-Kultur im Hochland des Altai-Gebirges ist ein Brauch des Tätowierens vorgekommen. Nicht nur bei Männern (Kriegern) wurden an erhaltener Haut der Verstorbenen aufwendige Tätowierungen festgestellt, sondern auch bei Frauen waren als Tierbilder gestaltete Tätowierungen zu sehen.

Als Skythen werden nomadisierende Reitervölker in der eurasischen Steppe bezeichnet, die ungefähr ab 700 v. Chr. dort auftraten. Sie haben keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen. Daher sind Erklärungen zu ihren Bräuchen und Überzeugungen besonders schwierig.

Der griechische Geschichtschreiber Herodot hat eine Darstellung zu den Skythen geschrieben (4, 17 – 117). Mit Wissenslücken über ein fremdes Volk, teilweise sehr zweifelhaften Überlieferungen (z. B. Mythos mit Herakles) und der Möglichkeit von Fehldeutungen ist zu rechnen. Über Tätowierungen von Skythen schreibt er nichts. Vom Volk der Thraker erzählt er, Tätowierungen hätten bei ihnen als edel/vornehm gegolten (Herodot 5, 6, 2).

Die Tätowierungen der Skythen wurden mit einem Stichverfahren (Knochennadel) in die Haut geritzt und mit Farbstoff (Ruß) ausgerieben. Sie sind Darstellungen von Tieren (bzw. Fabelwesen). Tierdarstellungen gibt es auch auf Schmuck, Kleidung, Waffen und andere Ausrüstung der Skythen. Die Tiermotive lassen auf eine theriomorphe (tiergestaltige) Weltsicht schließen. Eine Betrachtungsweise der Welt führte zum Versuch, sich im Tierbild manifestierende Kräfte und Mächte magisch zu fassen.

Die Skythen hatten eine polytheistische Religion. Herodot 4, 60 – 61 berichtet, wie von den Skythen Tiere (hauptsächlich Pferde) geopfert und dabei Gottheiten angerufen werden. Die Bestattungsbräuche zeigen eine Vorstellung der Skythen von einem Jenseits/einem Leben in der Unterwelt, das mit Ausrüstung und unterstützenden Personen angenehm sein kann.

Bei einigen Bräuchen gibt es Deutungen als Anzeichen für Praktiken des Schamanismus, wobei aber Vorsicht angebracht ist, ob die Beschreibung dafür einen klaren Beweis darstellt.

Es gibt auch eine Vermutung (einen direkten Beleg gibt es nicht), die Tätowierungen seien Bestandteil kriegerischer Initiationsriten gewesen.

Véronique Schiltz, Die Skythen und andere Steppenvölker : 8. Jahrhundert v. Chr. bis 1. Jahrhundert n. Chr. [Aus dem Französischen übertragen von Helga Weippert]. München : Beck, 1994 (Universum der Kunst ; Band 39),S. 263 – 264 beschreibt die Tätowierungen eines Mannes im Kurgan II von Pazyryk (dazugehörend Abbildung 199). Arme, Beine und zu einem beträchtlichem Teil auch Brust und Rücken sind mit Tierstilmotiven bedeckt, die mindestens mehrere Jahre vor dem Tod angebracht wurden. Das Hauptmotiv ist eine Raubkatze, mit kräftigen Krallen an den Pfoten. Erhoben und mit zu einer Volute eingerolltem Schwanz verlief die Abbildung auf dem Rücken über das linke Schulterblatt. De Tierleib zog sich über den Körper hin. Das schlecht erhaltene Vorderteil auf der Brust, der Kopf direkt über dem Herzen angebracht. An der Innenseite des linken Beins waren drei hintereinander nach oben springende Mufflons, die Arme dagegen der Länge nach von Raubvögeln eingenommen. Rechts und links der Wirbelsäule und bereits hinter dem Lendenwirbel sind Punktzeichen, die auf den Akupunkteuren bekannten Nervenenden zu sitzen scheinen. Die am betsen erhaltenen Hautzeichnungen schmücken den rechten Arm: Raubkatzen mit scharfen Reißzähnen marschieren auf, Steinböcke mit verdrehten Hörnern, schließlich Hirsche mit mächtigen Geweihen, aus denen Raubvogelköpfe aufsprossen.

gute einführende Darstellung zu den Skythen:

Hermann Parzinger, Die Skythen. Originalausgabe. 3. überarbeitete Auflage. München : Beck, 2009 (Beck'sche Reihe : C. H. Beck Wissen ; 2342). ISBN 978-3-406-50842-4

S. 49 – 51 zu einem etwa sechzigjährigen Mann aus dem Kurgan II von Pazyryk:
„Der Oberkörper des Mannes war im jungen Mannesalter tätowiert worden […]. Arme, Beine und Brust zeigen phantastische Tierstilmotive, neben Huftieren auch Raubkatzen. Die Figuren wirken übertreiben bewegt, ihre Körper unnatürlich zum S-Muster verdreht, wobei eine starke Wandlungsfähigkeit der dargestellten Tiere zum Ausdruck kommt: Spiralig eingerollte Schwänze werden zu Schlangenköpfen, Geweihenden zu vogelkopfähnlichen Figuren usw. Ähnlich wie bei der Verkleidung der Pferde aus den Kurganen I und II von Pazyryk haben wir es auch hier mit der Verwandlungs- und Umbildungsfähigkeit der Tiere zu tun, die auch als sogenannte zoomorphe Junktur im Tierstil des Nordschwarzmeerraumes zum Ausdruck kommt. Sicher weist die Tätowierung auch auf die besondere Rolle des Verstorbenen hin, die sich jedoch nicht eindeutig umschreiben läßt. Die Darstellungen unterstreichen aber einmal mehr die Bedeutung der theriomorphen Weltsicht der Skythen und der mit ihnen verwandten Reiternomaden, die alle Kräfte und Mächte im Tierbild ausdrückt.

In den neueren Ausgrabungen der neunziger Jahre in Kurganen bei Ak-Alacha und Verch-Kaldzzin auf dem Ukok-Plateau […] konnte festgestellt werden, daß nicht nur die in den großen Fürstenkurganen vom Typus Pazyryk bestatteten Personen der obersten Führungsschicht tätowiert waren, sondern auch einfachere Krieger, wie z. B. in Kurgan 3 von Verch-Kaldžin 2. Ein ungewöhnlicher Fund stammt aus Hügel 1 von Ak-Alacha 1, wo man eine in typischer Frauentracht beigesetzte Frau fand, die aber tätowiert war und eine umfängliche Waffenausrüstung besaß. Es bleibt offen, ob wir hier einen Befund vor uns haben, der in Verbindung mit Herodots durchaus mythischer Amazonensage stehen könnte, oder ob hier aus uns unbekannten Gründen eine Frau die Funktion eines Mannes in der Gesellschaft oder auch nur – gleichsam symbolisch – im Grabbrauch übernehmen mußte. Jedenfalls lehren uns diese Befunde, daß Tätowierungen weder auf Männer noch auf die oberste Führungsschicht begrenzt blieben, wenngleich auch die Bestattungen des Ukok-Plateaus keinesfalls ärmlich waren und die dort Beigesetzten sicher über der einfachen Bevölkerung standen. Das gleiche soziale Niveau der in Pazyryk, Tuekta und Bašdar Beerdigten erreichten sie zweifelslos nicht.“

Die Abbildungen unten und auf der rechten Seite bei http://www.mumienwelt.de/homepage/Skythen.html zeigen skythische Tätowierungen.

0