Oxidationszahlen bestimmen (NH2Cl)?

3 Antworten

  • Zunächst einmal musst du einfach akzeptieren und verstehen, dass Oxidationszahlen rein FORMALE Zuordnungen sind und keine echte Entsprechung in der Natur haben. Es ist also müßig darüber zu diskutieren, was WAHR ist, sondern es geht nur darum, was LAUT DEFINITION richtig ist. Verschiedene Elektronegativitätstabellen liefern für Stickstoff vs. Chlor in der Tat verschiedene Werte und weisen mal N, mal Cl die Elektronen zu. Dies ist in der Tat verwirrend und zeigt die Grenzen des Oxidationszahl-Formalismus auf.
  • Gleichwohl ist der Sinn von Oxidationszahlen natürlich trotzdem, eine chemische Denkhilfe zu sein und sehr oft bilden sie reale Situationen der Elektronenverteilung und insbesondere der Reaktionsweise in Redoxreaktionen recht gut ab und sind daher durchaus wertvoll. Das Konzept hat sich prinzipielll bewährt und ist nützlich.
  • Konkret zu deiner Frage kann man ganz klar feststellen, dann beide Versionen formal korrekt sind. Je nach Elektronegatvitätstabelle darf man die Elektronen entweder dem Stickstoff zuordnen (N ist -III) oder dem Chloratom zuordnen (N ist +I). Man sollte sich bei solchen Grenzfällen dann eindeutig auf eine namentliche genannte Elektronegativitätsskale beziehen und auch das Chloratom entsprechend mit -I oder +I beschriften, damit klar ist, dass man nachgedacht und keinen Fehler gemacht hat.
  • Im Sinne meines zweiten Absatzes, nämlich dass Oxidationszahlen, so formal sie auch sein mögen, möglichst viel Sinn in der Realität ergeben sollten, sollte man hier aber eindeutig eine der beiden Versionen bevorzugen, und zwar die mit Chlor als +I und demzufolge N mit -III. Chemisch gesehen entsteht Chloramin aus einer nucleophilen (!) Substitution, bei der Ammonik NH3 am Chlor(+I) des Hypochlorits angreift. Es ist naheliegend und chemisch sinnvoll, auch in Chloramin dem Chlor die Oxidationszahl +I zuzuweisen. Alles andere ergibt sich dann von alleine. 

Zusammenfassung

  • Chlor +I (eine der wenigen Ausnahme, siehe Hypochlorit)
  • Stickstoff -III (typisch)

Dann hat mich die gegeben Lösung also zurecht verwirrt ^^

Vielen Dank für die Erklärung! :)

Nur falls du es gerade im Kopf hast: Kennst du ev. weitere solche Ausnahmen?

0
@Australia23

Nun, es gibt etliche Verbindungen mit sogenannten "ungewöhnlichen Oxidationszahlen", z.B. Peroxid und Superoxid oder das schon angesprochene Hyopchlorit. Generell solltest du immer bei Verbindungen von Halogenen und Sauerstoff achtsam werden, weil sich da vieles umkehrt. 

Auch bei allen Element-Element-Verbindungen solltest du wachsam sein (siehe Peroxid, aber auch z.B. Hydrazin und ähnliches).

Beispiel: Chlor und die anderen Halogene haben fast immer die Oxidationsstufe -I, aber es kann in einigen Ausnahmefällen (überwiegend Sauerstoffsäuren) auch +I, +III, +V und sogar +VII sein.

1
@Kajjo

Ok, vielen Dank, werde ich in Zukunft darauf achten :)

1

Es gibt ja auch formale Regeln.

Ein Beispiel kennst du sicher, dass in Formeln der postitive Partner zuerst genannt wird, also heißt es NaCl oder H₂O.
Bei NH₃ oder CH₄ ist die Formel also falsch, denn C und N haben eine höhere EN als H.
Es gibt irgendwo auch eine Liste der Reihenfolge, die der EN nur sehr annähernd entspricht.

Korrekt hieße NH₂Cl also H₂NCl oder H₂ClN, je nach EN-Slala.
Aber ein Übermaß an Korrektheit kann einen schon mal in den Wahnsinn treiben.

Die genaue Regel, nach der den Atomen die OZ zugeordnet wird, ist sicher irgendwo zu finden. Ich habe nicht gesucht.

Verklausuliert gibt es sie aber in
https://de.wikipedia.org/wiki/Oxidationszahl#Hilfsregeln
Weitere Halogenatome (wie Chlor, Brom, Iod) haben im Allgemeinen die Oxidationszahl (−1), außer in Verbindung mit Sauerstoff oder einem Halogen, das im Periodensystem höher steht.Das ist blinder Formalismus, aber demnach hat auch Jod fast immer die OZ -1, auch wenn sich alle EN-Skalen darüber einig sind, dass die EN von Jod geringer als die von Stickstoff ist.

Gefühlsmäßig habe ich bei deiner Frage sofort dem Cl die OZ -1 zugeordnet.
Vielleicht, weil man solche Regeln lernt wie die Verkehrregeln.
Man behält das wichtige, den Rest vergisst man, jedenfalls besteht kein Autofahrer mit einigen Jahren Fahrpraxis die Theorieprüfung.

Weil man eben das auf das wichtige im Straßenverkehr zu achten lernt, also das Verhalten vorauszuahnen.
Man ahnt einfach, dass der Depp schräg vor einem auf der Nebenspur einem davorzieht, natürlich ohne zu blinken.
Und jedes Cl verzieht sich irgendwann als Chlorid, mit der OZ -1.

Selbst dann, wenn es sich mal als Transe (mit der OZ +1) von einen N-Atom nukleophil anmachen ließ, worauf Kajjo hinwies.

Vielen Dank für die Erklärung!

Nur um sicher zu gehen:

Den Halogenen wird also immer die OZ -1 zugeordnet (Ausnahmen in Verbindungen mit Sauerstoff / anderen Halogenen), auch wenn es nicht zur EN "passt".

Durch (genügend starke) Nukleophile lassen sie sich aber trotzdem (in manchen Verbindungen) "angreifen".

Korrekt?

0
@Australia23

Teil 1 ist, soweit Wikipedia recht hat, korrekt.

Teil 2 ist nicht in einfache Regeln zu fassen, sondern fällt in das weite Feld der Chemischen Reaktionen.
In das sehr weite Feld:
In das sehr sehr weite Feld.

Das lässt sich formal sicher irgendwie auflösen.
Wenn Ammoniak Hypochlorit angreift, wird das N um 2 oxidiert, das Cl und 2 reduziert.
Sauerstoff bleibt unbeeindruckt.

Du kannst es auch so ausdrücken, dass das freie E.paar des Ammionak sich an den entblößten Kern des Cl-Atoms "ranmacht", daher nukleophil, "kernliebend".
Und dass nachher das Elektronenpaar, dass doch das N-Atom nur aus Liebe den Cl-Atom angeboten hat, später diesem zugerechnet wird.

Also eigentlich ein Diebstahl, des Hochzeitsgeschenks.
Aus rein formalen Gründen noch dazu↯↯↯↯↯

Aber genau das sind das Redox-Reaktionen, der Diebstahl von Elektronen.

0
@ThomasJNewton

Deshalb habe ich den 2. Teil ja auch relativ vage ausgedrückt...

Also eine Nukleophile Substitution am Cl und daher wird diesem dann die Elektronen angerechnet...? Oder war diese Begründung mehr als Merkhilfe gedacht und hat nichts mit der Zuteilung an sich zu tun?

0
@Australia23

Das war als Hinweis gedacht, dass es immer noch schlimmer und komplizierter geht.

Du kannst dir auch mit 20 noch Gedanken über Oxidatioszahlen machen, während andere mit Halbwissen ihr Abi geschafft haben und nun studieren.

Entspann dich, es sind nur Hilfmittel und Regeln, und die Lehrer bemühen sich nur, sie dir beizubringen.
Bis die komplizierteren Regeln kommen, die auch nur Hilfmittel und Regeln sind.

Selbst hier ist das zu bemerken, dass jemand halt einiges sehr weitgehend gelernt hat, also Spezialist ist, während ich der Universaldilletant bin, auch als Dorftrottel bekannt.

Nur dass solche Unterscheidungen hier unwichtig sind.
Niemand kann alles gut wissen, nicht mal in einem so eng begrenzten Gebiet wie der Chemie.
Der eine weiß dies, der andere das.

Du solltest ein Thema auch einfach mal abhaken.
Einen Haken drunter machen, auch wenn nicht alles bis ins letzte Detail klar ist.
Für die, die das nicht können, gibt es sogar eigene Schimpfwörter, "Erbsenzähler" ist da noch harmlos.

0
@ThomasJNewton

Achso, aber "schlimmer" wird es wohl nur für diejenigen, die es nicht interessiert...

Mir geht es ja nicht darum "durch das Abi zu kommen", sondern darum es zu verstehen, weil ich es spannend finde (und bald eine Prüfung ansteht) ^^

Dass es sich bei den Oxidationszahlen bloss um Hilfsmittel handelt, ist mir schon klar. Aber sie geben ja doch auch ein Teil der Wahrheit wieder und müssen daher korrekt zugeordnet werden.

Mir war nur noch nicht bewusst, dass es auch diese "Ausnahmefälle" gibt, in dem die Oxidationszahl wirklich "rein" formal zugeordnet wird, da sie der "Wahrheit" kaum entspricht (also bei ähnlichen EN-Werten zwischen den bindenden Atomen). Aber das wäre ja jetzt geklärt.

Vielen Dank für deine Hilfe :)

0

Wie kommst du denn auf -III?

Cl hat -I
beide H jeweils +I
N muss also demzufolge -I aufweisen, damit die Elektronenbilanz +/- 0 ist.

Welche Cl-N-Bindung?
Das ist ein Salz und demzufolge eine Ionenbindung NH2+  +  Cl-

Wie kommst du für Cl auf -I (N hat doch die höhere Elektronegativität)?

Meinen Überlegungen nach, sollte Cl die OZ +I haben, somit wäre diejenige von N -III...

Das ist die Verbindung: https://de.wikipedia.org/wiki/Monochloramin

0
@Australia23

Uppala...mein Fehler.
Wir befinden uns natürlich tatsächlich im atomaren Bindungsbereich - sorry...ist Montag.

Die Feststellung der Oxidationszahlen ist dennoch wie oben beschrieben. Warum und wieso?
Weil in deiner Sturkturformel die freien Elektronenpaare fehlen...probiere es mal damit. Dann hat nämlich Stickstoff 5 Elektronen um sich rum und somit -1.
Denn mesomere Effekte treten nicht auf.

0
@Muhtant

Es ist immer noch Montag.

Es geht einzig darum, ob Cl in Verbindung mit N die OZ -1 oder +1 zugewiesen wird.

Die EN unterscheiden sich ja kaum, und je nach EN-Skala auch noch unterschiedlich, sogar, was die Richtung angeht.

1
@ThomasJNewton

Kein Problem ^^

Ja das ist mir schon klar. Aber die Elektronen werden doch demjenigen Atom "zugeteilt", welches die höhere Elektronegativität hat?

Ich hab die Allred-Rochow-Werte der EN vor mir liegen:
EN(N) = 3.07
EN(Cl) = 2.83
-> die Elektronen müssten N "zugeteilt" werden?

Nach Pauling (hab ich jetzt mal noch nachgeschaut) wäre es jedoch folgendermassen:
EN(N) = 3.0
EN(Cl) = 3.2
-> somit käme ich auf dieselben Resultate, OZ(N) = -I

Jedoch ergeben für mich die ersten Werte mehr Sinn, da doch N den kleineren Atomradius hat, damit stärker an den Elektronen "zieht"?

Bzw. woher soll man denn wissen, welche Werte man verwenden muss? ^^ Bis jetzt hat es mit den Allred-Rochow-Werten bei mir immer geklappt...

0
@ThomasJNewton

@ ThomasJNewton

 Ist mir eben auch aufgefallen (siehe Kommentar IIII). Falls du da auch noch Rat weisst...?

0
@Australia23

Der Atomradius ist ja bei der EN schon berücksichtigt.

Deswegen gibt es diese "Schrägbeziehungen":
B und P haben EN=2 und treten nur maximal oxidiert auf
C und S haben EN=2,5 und treten in allen möglichen OZ auf
N und Cl haben EN=3 und sind max. oxidiert in Sprengstoffen

Du solltest die OZ nicht überbewerten.
Die sind nur ein Hilfsmittel für uns Menschen, Redoxrektionen zu verstehen.
Und jedes Hilfsmittel hat gewisse Schwächen.

Und das ist auch allen bewusst, darum ändert man die Regeln nicht jedes Jahr, wenn sich mal wieder die eine oder andere EN-Skala geändert oder als die bessere rausgestellt hat.

Es ist so, und es ist richtig so, dass du einfach überholt wirst, währen du stillsitzt und an der perfekten EN-Skala oder OZ-Regeln schnitzt oder klöppelst.

Es gibt unglaublich viele andere, spannende und phaszinierende Themen in der Chemie.

Der Mensch muss das alles in Regeln und Rechnungen kleiden, zu einem guten Teil auch deswegen, damit er Wissen beurteilen und benoten kann.
Verständnis sieht etwas anders aus, und die Natur selbst ist noch etwas anders, als wir Menschen es verstehen können.
Aber wir sind schon recht nah dran.

1

Es ist kein Salz, weil das NH2+ ein Elektronensextett hätte.

0