John Stuart Mill

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1) Prinzip der Nützlichkeit

Das Prinzip der Nützlichkeit bei John Stuart Mill (klassischer Utilitarismus) sagt: Es kommt bei der Bewertung von Handlungen auf ihre Folgen an. Die Nützlichkeit der Folgen ist Maßstab für gutes und schlechtes Handeln bzw. moralisch richtiges und falsches Handeln. Die Nützlichkeit besteht (inhaltlich näher bestimmt) im Glück und im Freisein von Unglück. Unter Glück versteht Mill Lust/Freude, wobei ihm nicht wichtig ist, wie die angenehmen Empfindungen genau bezeichnet werden.

Gut ist ein Handeln, wenn es Lust/Freude herbeiführt, förderlich dafür ist, glücklich zu werden und beiträgt, Verhältnisse zu schaffen, in denen die Chancen steigen, glücklich zu sein.

Wichtig ist Mill in der Ethik das Zusammenbringen von Individuum und Gemeinschaft. Alle Betroffenen zählen grundsätzlich gleichermaßen. Das richtig erkannte Allgemeinwohl enthält Wohlbefinden und Wohlergehen der einzelnen Menschen und die Einzelnen haben in einer funktionstüchtigen und gut gedeihenden Gemeinschaft bessere Aussichten, viel Glück zu erleben. Das wohlverstandenen Eigeninteresse berücksichtigt nicht nur das für sich persönlich sehr direkt angenehm Erscheinende, sondern auch den Gesamtzusammenhang mit dem, was für eine Gemeinschaft gut ist.

2) Zufriedenheit

Auch qualitative Unterschiede bei Lust/Freude können nach ihm eine Rolle spielen. John Stuart Mill beurteilt in seinem Werk Utilitarianism bei der Lust/Freude (pleasure) diejenige von zweien für wünschenswerter und wertvoller, die von allen oder fast allen, die beide erfahren haben, entschieden bevorzugt wird (Kapitel 2). Seiner Meinung nach ist es, wenn eine von zwei Freuden von gut urteilsfähigen Menschen weit über die andere gestellt und bevorzugt wird, berechtigt, jener Freude eine höhere Qualität zuzuschreiben. Diese übertreffe die der Quantität so weit, daß diese im Vergleich dazu nur gering ins Gewicht falle. Es sei aber eine unbestreitbare Tatsache, daß diejenigen, die mit beiden gleichermaßen bekannt sind und für beide gleichermaßen empfänglich sind, der Lebensweise entschieden den Vorzug geben, an der auch die höheren Fähigkeiten beteiligt sind.

Die Quantität von Glück ist einfach nur das Ausmaß/die Menge der Lust/Freude. Die Qualität von Glück bedeutet eine Unterscheidung nach der Beschaffenheit, wobei bestimmte Arten von Freuden als höherrangig beurteilt werden.

Neben körperlich-sinnlichen Lüsten/Freuden nennt Mill Freuden aus Tätigkeit des Verstandes, des Empfindens, der Vorstellungskraft/Phantasie und des moralischen Gefühls. Höherrangig als z. B. Essen und Sex (die von ihm als angenehm anerkannt bleiben) ist nach Mills Meinung z. B. der Besuch eines schönen Konzertes, das Lesen eines guten Buches und die Anerkennung und innere Freude bei schöpferischen und sozialen Tätigkeiten.

Höher begabte und mit größeren Fähigkeiten ausgestattete Wesen sind anspruchsvoller und verlangen mehr, um sich völlig glücklich zu fühlen. Sie sind zu mehr Glück fähig und können trotzdem insofern unzufrieden sein, als sie nach mehr streben und immer das Gefühl haben, von der Welt nur ein unvollkommenes Glück erwarten zu können.

Zufriedenheit und Glück sind verschiedene Begriffe. Ein Wesen mit großen Fähigkeiten zum Genießen ist weniger leicht voll zufriedengestellt. Trotzdem ist dieses Streben nach Ausschöpfung in der Entfaltung der Fähigkeiten für sie nach Mills Urteil die bessere Daseinsweise.

John Stuart Mill, Der Utilitarismus. Übersetzung, Anmerkungen und Nachwort von Dieter Birnbacher. Durchgesehene Ausgabe. Stuttgart : Reclam, 1985 (Universal-Bibliothek ; Nr. 9821), S. 13:
„Die Auffassung, für die die Nützlichkeit oder das Prinzip des größten Glücks die Grundlage der Moral ist, besagt, daß Handlungen insoweit und in dem Maße moralisch richtig sind, als sei die Tendenz haben, Glück zu befördern, und insoweit moralisch falsch, als sie die Tendenz haben, das Gegenteil von Glück zu bewirken. Unter ›Glück‹ [happiness] ist dabei Lust (pleasure] und das Freisein von Unlust [pain], unter ›Unglück‹ [unhappiness] Unlust und das Fehlen von Lust verstanden.“

S. 17 – 18: „Wer meint, daß diese Bevorzugung des Höheren ein Opfer an Glück bedeutet – daß das höhere Wesen unter den gleichen Umständen nicht glücklicher sein können als das niedrigere - , vermengt die zwei durchaus verschiedenen Begriffe des Glücks [happiness] und der Zufriedenheit [content]. Es ist unbestreitbar, daß ein Wesen mit geringerer Fähigkeit zum Genuß die besten Aussichten hat, voll zufriedengestellt zu werden; während ein Wesen von höheren Fähigkeiten stets das Gefühl haben kann, daß alles Glück, das es von der Welt, wie sie beschaffen ist, erwarten kann, unvollkommen ist. Aber wenn diese Unvollkommenheiten überhaupt nur erträglich sind, kann es lernen, mit ihnen zu leben, statt die andern zu beneiden, denen diese Unvollkommenheiten nur deshalb nicht bewußt sind, weil sie sich von den Vollkommenheiten keine Vorstellung machen können, mit denen diese verglichen werden. Es ist besser, ein unzufriedener Mensch zu sein als ein zufriedenes Schwein; besser ein unzufriedener Sokrates als ein zufriedener Narr. Und wenn der Narr oder das Schwein anderer Ansicht sind, dann deshalb, weil sie nur die eine Seite der Angelegenheit kennen. Die andere Partei hingegen kennt beide Seiten.“

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Letztlich geht es Mill um das Wohl aller, der Gemeinschaft nach dem Motto, dass ein Einzelner in einer schlechten Gesellschaft weniger Chancen hat, glücklich zu werden als in einer funktionierenden, prosperierenden Gesellschaft. Das muss man heute, in einer Zeit des gesellschaftsentkoppelten Egoismus, deutlich vorausschicken.

Dann aber, gegen den Mainstream seiner Zeit, in der noch immer überpersönliche Tugenden hochgehalten werden, ist er der Meinung, dass das Wohl der Gesamtheit nur erreicht werden kann, wenn die Wertungen der Individuen über einflussnehmende Prozesse (Märkte) in die allgemeine Bewertung einfließen. Doch seine Individuen sind keine hirnlosen Egoisten, sondern, wie oft in seiner Zeit, schwebt ihm das Bild des emanzipierten Menschen vor mit ausgewogenem Urteil, was für ihn UND für die Gesellschaft gut ist. Ähnlich wie Kant geht er davon aus, dass aufgeklärte, emanzipierte Menschen das eigene Wohl immer in Verschränkung mit dem Gesamtwohl beurteilen können. Heute wissen wir da leider mehr und anderes.