Frage zu Notwehr und Rache

13 Antworten

Vom Notwehrexzess gem. § 33 StGB werden nur asthenische Affekte, also Furcht, Verwirrung und Schrecken erfasst. Nur wenn mindestens eins dieser Merkmale vorliegt, handelt der Täter ohne Schuld.

Sthenische Affekte wie Wut oder Zorn fallen hingegen nicht unter den Notwehrexzess und werden bestraft.

Die "ein zwei Schläge als Denkzettel" würde ich unter Wut subsumieren, demnach würde man sich strafbar machen.

So eine Racheaktion im Affekt ist daher doch eine zutiefst menschliche und nachvollziehbare Verhaltensweise und ich frage mich, warum das dann unter Strafe steht.

Ganz einfach: Weil dadurch Grundrechte (Recht auf körperliche Unversehrtheit) verletzt werden. Das darf mit gutem Grunde nur der Staat.

Sowas dürfte doch noch unter Affekthandlung laufen, oder?

Eine Affekthandlung ist eine körperliche Reaktion, die du nicht direkt steuern kannst. Jemandem als "Denkzettel" eine zu verpassen, ist doch wohl eine kontrollierte Handlung, somit liegt also ein Vorsatz vor und ist folglich unter Strafe gestellt.

Franz577 
Fragesteller
 29.10.2014, 15:57
Weil dadurch Grundrechte (Recht auf körperliche Unversehrtheit) verletzt werden.

Dieses Grundrecht hat aber der Angreifer auch verletzt und Wut ist darauf eine nachvollziehbare Reaktion.

Jemandem als "Denkzettel" eine zu verpassen, ist doch wohl eine kontrollierte Handlung, somit liegt also ein Vorsatz vor und ist folglich unter Strafe gestellt.

Wer im Rausch der Wut handelt, handelt im Prinzip aber auch im Affekt. Affekthandlungen müssen nicht zwingend im Sekundenbruchteil nach dem Angriff erfolgen.

kodi1123  29.10.2014, 15:59
@Franz577

Es ändert sich nichts an der Lage. Du darfst niemanden zur Strafe verletzen.

Franz577 
Fragesteller
 29.10.2014, 17:24
@kodi1123

Im Affekt ist es aber straffrei.

DerHans  29.10.2014, 17:36
@Franz577

Eine Straftat im Affekt ist immer noch eine Straftat. Da wird dann aus Mord z.B. Totschlag

Franz577 
Fragesteller
 29.10.2014, 17:48
@DerHans

Falsch! Da WIRD dann nicht Totschlag daraus, sondern das war noch nie etwas anderes als Totschlag. Mord im Affekt gibt es nämlich gar nicht!

Grautvornix  29.10.2014, 19:52
@Franz577

wirkt sich auf das Strafmaß aus, sonst nichts.

kodi1123  29.10.2014, 20:13
@Franz577

Viele sagen, dass Totschlag im Affekt passiert und Mord geplant wird.

Tatsächlich kannst du auch im Affekt jemanden ermorden und einen Totschlag planen.


§ 211 Mord

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer

aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet.


§ 212 Totschlag

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.


§ 213 Minder schwerer Fall des Totschlags

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Franz577 
Fragesteller
 30.10.2014, 07:45
@kodi1123
Viele sagen, dass Totschlag im Affekt passiert und Mord geplant wird.

Stimmt ja auch im Wesentlichen. Wobei Totschlag nicht zwingend einen Affekt voraussetzt.

Tatsächlich kannst du auch im Affekt jemanden ermorden und einen Totschlag planen.

Mag sein, daß man einen Totschlag planen kann. Aber dieser Plan wird sich schwer nachweisen lassen und entscheidend ist vor Gericht nur, was bewiesen werden kann. Aber Mord im Affekt halte ich für ausgeschlossen, denn sobald es sich um eine Tat im Affekt handelt, ist keines der Mordmerkmale mehr gegeben.

Aber danke für §213! Da haben wir es ja! §213 sagt doch eindeutig das, was ich auch sage. Wut bzw. Zorn ist also sehr wohl ein sehr triftiger Grund zur Strafminderung. Theoretisch könnte man dadurch sogar mit einer Bewährungsstrafe davon kommen, selbst wenn man einen anderen Menschen getötet hat.

Und wenn Wut hier berücksichtigt wird, dann warum nicht auch bei Überschreitung der Notwehr? Also z.B. als "Minderschwerer Fall der Körperverletzung".

john4711  30.10.2014, 14:52
@Franz577
Mag sein, daß man einen Totschlag planen kann. Aber dieser Plan wird sich schwer nachweisen lassen und entscheidend ist vor Gericht nur, was bewiesen werden kann.

Pläne lassen sich beispielsweise nachweisen, indem man Aufzeichnungen zu den Plänen findet. Außerdem könnte es Zeugen geben, mit denen der Täter seine Pläne besprochen hat.

Aber Mord im Affekt halte ich für ausgeschlossen, denn sobald es sich um eine Tat im Affekt handelt, ist keines der Mordmerkmale mehr gegeben.

Die O beichtet ihrem Mann, dem T, einem Automechaniker, in dessen Werkstatt, dass sie seit Jahren eine sexuelle Affäre mit seinem Bruder hat. Vor Wut schäumend greift sich der T einen in der Nähe stehenden Benzinkanister, übergießt die O mit Benzin und zündet sie anschließend an. Dass die O dabei sterben kann, nimmt der T billigend in Kauf. Tatsächlich stirbt die O infolge dieser Behandlung an ihren schweren Verletzungen.

Das wäre ein Mord im Affekt. Mordmerkmal wäre die Grausamkeit.

Aber danke für §213! Da haben wir es ja! §213 sagt doch eindeutig das, was ich auch sage. Wut bzw. Zorn ist also sehr wohl ein sehr triftiger Grund zur Strafminderung.

Ja, Du forderst aber Straflosigkeit. Dafür sind Wut und Zorn aber keine hinreichenden Gründe.

Und wenn Wut hier berücksichtigt wird, dann warum nicht auch bei Überschreitung der Notwehr? Also z.B. als "Minderschwerer Fall der Körperverletzung".

Das wird ja auch alles berücksichtigt. Es wird auch berücksichtigt, dass die Hemmschwelle, überhaupt einem Menschen Gewalt anzutun, durch die Notwehr schon überschritten war, mithin die kriminelle Energie beim Überschreiten der Notwehr geringer als üblich ist. Dennoch bleibt ein Überschreiten der Notwehr aus Wut oder Zorn strafbar.

Franz577 
Fragesteller
 31.10.2014, 07:48
@john4711
Pläne lassen sich beispielsweise nachweisen, indem man Aufzeichnungen zu den Plänen findet. Außerdem könnte es Zeugen geben, mit denen der Täter seine Pläne besprochen hat.

Dann wäre es aber eigentlich kein Totschlag mehr. Wenn man den Tod eines anderen Menschen plant bzw. dies das Ziel einer geplanten Tat ist, dann kann man m.E. nicht mehr von Totschlag sprechen, sondern dann ist es Mord. Abgesehen davon wäre es schön dumm, zu solchen Taten Aufzeichnungen anzufertigen oder mit anderen darüber zu sprechen. Wer also all dies nicht tut, dem wird man das schlecht nachweisen können.

Das wäre ein Mord im Affekt. Mordmerkmal wäre die Grausamkeit.

Sehe ich etwas anders, denn für eine reine Affekthandlung wäre mir das viel zu komplex. Da muß man erst mal auf die Idee kommen, sich einen Benzinkanister zu schnappen, dann dem Opfer wahrscheinlich nachlaufen (denn stehenbleiben wird es sicher nicht, wenn es diesen Plan realisiert). Dann muß das Opfer soweit fluchtunfähig gemacht werden, um es überhaupt mit Benzin übergießen zu können und dann muß man es noch anzünden und sich selbst dabei in Sicherheit bringen. Da vergeht also genügend Zeit, in der man von seinem Plan noch absehen kann. Zieht man ihn trotzdem durch, dann ist es Mord, aber nicht mehr im Affekt. So würde ich das werten.

john4711  31.10.2014, 15:45
@Franz577
Dann wäre es aber eigentlich kein Totschlag mehr. Wenn man den Tod eines anderen Menschen plant bzw. dies das Ziel einer geplanten Tat ist, dann kann man m.E. nicht mehr von Totschlag sprechen, sondern dann ist es Mord.

Man kann auch einen Totschlag planen:

Der O verprügelt seine Frau, die T, regelmäßig. Nachdem sie beim letzten Mal notärztlich behandelt werden musste, beschließt sie, ihren Mann zu töten. Als der O eines Tages von der Arbeit nach Hause kommt und die Wohnungstür aufschließt, sieht er die T mit einem scharfen Küchenmesser bewaffnet ihm gegenüber im Flur stehen. Der O lacht laut auf und sagt: „Das traust du dich doch sowieso nicht.“ Daraufhin rammt die T dem O das Küchenmesser in die Brust. Der O stirbt an seinen schweren Verletzungen.

Im Übrigen ist die Nichtanzeige eines geplanten Totschlags nach § 138 Abs. 1 Ziff. 5 2. Var. StGB strafbar. Das wäre ja nun wenig sinnvoll, wenn man einen Totschlag gar nicht planen könnte.

Abgesehen davon wäre es schön dumm, zu solchen Taten Aufzeichnungen anzufertigen oder mit anderen darüber zu sprechen. Wer also all dies nicht tut, dem wird man das schlecht nachweisen können.

Wem man eine Tat nicht nachweisen kann, der wird nicht für diese Tat bestraft werden, auch wenn er sie begangen hat. Aber das ist in Rechtsstaaten doch eine Allerweltsweisheit.

Sehe ich etwas anders, denn für eine reine Affekthandlung wäre mir das viel zu komplex.

Affekthandlungen beruhen auf einer spontanen heftigen Gefühlsregung. Das schließt nicht aus, dass sie komplex sein können. Aber ich kann Dir auch einen weniger komplexen Mord im Affekt bieten:

Der T glaubt, dass sein wohlhabender Nachbar, der O, im Urlaub ist. Weil der T hohe Spielschulden hat, bricht er in der Nacht in die Wohnung des O ein, um dessen Wertgegenstände zu stehlen, zu verkaufen und mit dem Erlös seine Spielschulden zu begleichen.

Als der T sich in der Wohnung des O befindet und gerade wertvolle Gegenstände einpackt, steht plötzlich der O in der Wohnung, der früher als erwartet aus seinem Urlaub zurückgekehrt ist, und stellt den T zur Rede. Aus Angst, für seinen Einbruch belangt zu werden, greift sich der T einen schweren Kerzenständer, der zufällig neben ihm steht, und schlägt ihn dem O in Tötungsabsicht auf den Kopf. Der O erliegt seinen schweren Kopfverletzungen.

Das ist auch ein Mord im Affekt. Das Mordmerkmal wäre „zur Verdeckung einer Straftat“.

Legal ist dies definitiv nicht. So oder so wirst du dich der Körperverletzung verantworten müssen, wenn es zur Strafverfolgung kommen sollte (z.b. durch eine Anzeige). Erst im Rahmen der Ermittlung wird das Motiv der Tat begutachtet. Wenn es Notwehr war, dann kannst du straffrei davonkommen. Aber fest steht, dass abgewogen wird, wo die Notwehr aufhört und ein Angriff beginnt. Überschreitest du die Grenze machst du dich strafbar. Natürlich könnte sich dabei die Tatsache, dass es aus Affekt geschah, strafmildernd auswirken.

Mein Rat: Wehre dich soweit wie nötig! Nicht mehr und nicht weniger...

Gerade vor ein paar Tagen wurde doch das Urteil in einem solchen Fall gesprochen, welcher große Aufmerksamheit erregt hatte: http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/bewaehrungsstrafe-rentner-wegen-toedlicher-schuesse-auf-fliehenden-raeuber-verurteilt-13232364.html In diesem Falle wurde die Tat als Totschlag in einem minder schweren Fall geahndet, da die Grenzen der Notwehr gesprengt wurden

Franz577 
Fragesteller
 29.10.2014, 13:18
In diesem Falle wurde die Tat als Totschlag in einem minder schweren Fall geahndet, da die Grenzen der Notwehr gesprengt wurden

Naja, aber ich bitte dich! 9 Monate auf Bewährung für einen getöteten Menschen! Und sogar die Staatsanwaltschaft hat auf Freispruch plädiert!

Und da soll dann ein vergleichsweise harmloser Faustschlag aus Wut über einen Angriff eine große Strafe nach sich ziehen?

Im Grunde bestätigt dieser Artikel doch nur das, was ich in meiner Fragestellung schon vermutet habe.

franneck1989  29.10.2014, 13:55
@Franz577
Im Grunde bestätigt dieser Artikel doch nur das, was ich in meiner Fragestellung schon vermutet habe.

Das habe ich auch nicht bezweifelt :)

Franz577 
Fragesteller
 29.10.2014, 14:10
@franneck1989

Ok, ich wollte damit auch nur sagen, daß wenn erst ein Mensch sterben muß, damit ein Gericht darauf erkennt, daß die Notwehr überschritten wurde (und dann auch nur eine kurze Bewährungsstrafe verhängt), dann dürften ein oder zwei Schläge aus Rache sicher kaum der Rede wert sein bzw. müßte man in der Praxis dann eigentlich straffrei oder zumindest nahezu straffrei davonkommen.

franneck1989  29.10.2014, 14:17
@Franz577

das denke ich auch. Zweifelhaft, ob man in einem von dir geschilderten Fall überhaupt eine genaue Rekonstruktion des Hergangs veranlassen würde. Das wird bestimmt nicht bei jeder Dorfschlägerei in solcher Ausführlichkeit gemacht. Dann wird wohl vorrangig darauf geschaut, von wem die Initiative ausging. Ich vermute, dass auch Schläge des Opfers pauschal als Notwehr abgestempelt werden, wenn es sich nicht gerade um einen solch besonderen Fall handelt

kayo1548  29.10.2014, 14:59
@Franz577

Nein tut es nicht,

hier geht es nicht um Rache sondern um eine potentiell gefährliche Situation, die auch durch §33 stgb hätte gedeckt werden können (ich kenne natürlich keine Einzelheiten aber theoretisch kann auch eine zeitliche Überschreitung der Notwehr aus einer existierenden Notwehrhandlung über folgenden Paragraphen abgedeckt.

Aus Rache heraus wirst du da kaum mildernde Umstände bekommen; denn es geht hier nicht um die Bestrafung - dafür ist das Gericht zuständig. Sondern es geht darum, einen gegenwärtigen Angriff abzuwehren.

Franz577 
Fragesteller
 29.10.2014, 15:07
@kayo1548
hier geht es nicht um Rache sondern um eine potentiell gefährliche Situation, die auch durch §33 stgb hätte gedeckt werden können

Aber die Gefahr für Leib und Leben war schon vorbei, da die Täter bereits auf der Flucht waren. Und nur die Rettung der Geldbörse mit 2000€ Inhalt rechtfertigt für mich nicht den tödlichen Einsatz einer Schußwaffe.

Aus Rache heraus wirst du da kaum mildernde Umstände bekommen

Aus Rache vielleicht nicht, aber aus Wut. Wut ist eine sehr starke emotionale Gefühlsregung, die einem nach einem brutalen Angriff niemand verübeln kann. Egal ob man den Angreifer abwehren konnte oder nicht. Und wer aus blinder Wut heraus handelt, der handelt meist nicht rationell und ist daher nur eingeschränkt schuldfähig.

Außerdem hat der Angreifer ja selbst Schuld, überhaupt eine solche Situation herbeigeführt zu haben. Denn hätte er nicht angegriffen, dann hätte es auch keine wütenden Reaktionen seines Opfers geben können.

Droitteur  29.10.2014, 15:33
@Franz577

Umstände, die die Überschreitung der Notwehr straflos werden lassen, sind in § 33 StGB aufgezählt. Wut und Rache sind nicht darunter.

Die Rettung einer Geldbörse mit 2000 oder auch nur 2 Euro kann auch den Einsatz einer Schusswaffe rechtfertigen, wenn kein milderes Mittel bei gleichem Erfolgsversprechen verfügbar ist. Tödlich muss der Schuss aber wohl kaum sein.

Franz577 
Fragesteller
 29.10.2014, 15:46
@Droitteur

Umstände, die die Überschreitung der Notwehr straflos werden lassen, sind in § 33 StGB aufgezählt. Wut und Rache sind nicht darunter.

Ok, aber Verwirrung ist darunter. Dann war ich halt durch den Angriff und die dadurch bei mir entstandene Wut so verwirrt, daß ich die Notwehr überschritten haben. Oder Furcht. Ich hatte Angst, daß der Angriff durch die bloße Abwehr noch nicht beendet war und um einem erneuten Angriff vorzubeugen, habe ich die Notwehr überschritten.

Die Rettung einer Geldbörse mit 2000 oder auch nur 2 Euro kann auch den Einsatz einer Schusswaffe rechtfertigen, wenn kein milderes Mittel bei gleichem Erfolgsversprechen verfügbar ist. Tödlich muss der Schuss aber wohl kaum sein.

Aha, aus Wut zurück- oder nachschlagen darf man nicht, aber wegen 2 Euro jemanden anschießen oder gar erschießen (Staatsanwalt plädierte auf Freispruch!), das darf man schon.

Merkst du zwei Dinge? Erstens stimmt bei einer solchen Gesetzgebung doch ganz offensichtlich etwas nicht und zweitens kann man immer alles so hindrehen, daß es trotzdem paßt.

Droitteur  29.10.2014, 15:54
@Franz577

Merkst du was? Wenn du alles hindrehen kannst, dass es passt - dein "Zweitens" -, dann trifft auch dein "Erstens nicht zu". Stattdessen ist die Rechtssetzung in tausenden Jahren gewachsen durch Menschen, die sich ihr Leben lang mit nichts anderem als dem Recht beschäftigt haben (ja, wozu freilich auch die nichtrechtlichen Dinge gehören, falls du jetzt vom Elfenbeinturm anfangen möchtest), und jetzt kommst du und fragst mich, ob ich was merke :D

Die Gesetze dann auf den Einzelfall anzuwenden, ist eine zweite Sache: Es wird im Rahmen der Gesetze selbstverständlich so gedreht, dass es möglichst gerecht ist. Was du aber "Drehen" nennst, ist unter Umständen nur "Lügen", ansonsten aber schlicht in Ordnung.

Franz577 
Fragesteller
 29.10.2014, 15:58
@Droitteur

Die Grenzen zwischen "Drehen" und "Lügen" sind fließend. Und wenn die Gesetzgebung schon Wut als Grund für ein Zurück- oder Nachschlagen nicht akzeptiert, dann ist man zu solchen Lügen ja fast gezwungen.

Droitteur  29.10.2014, 16:13
@Franz577

Es geht mir darum, dass man freilich lügen kann - die Alternative ist nicht "Drehen", sondern die Wahrheit sagen. Wo ich das Wort "Drehen" zuerst benutzt habe, um mich deinem Sprachgebrauch anzupassen, meinte ich, dass alles andere nur die Auslegung der Gesetze sowie die Anwendung auf den Einzelfall darstellt.

Auch in deinem letzten Kommentar zeigt sich wieder sehr schön, dass dir eine wesentliche Erkenntnis noch entgangen ist: Soweit du meinst, man wäre ja fast zum Lügen gezwungen, gehst du also davon aus, dass dein Rechtsgefühl das verbindliche ist - du wirst ja nicht behaupten wollen, man müsste lügen, um sich durchzusetzen, sondern man müsste lügen, um Gerechtigkeit zu bekommen und den Maßstab hältst du in der Hand, dass es gar das Lügen rechtfertigt.
Es ist aber nicht ohne Grund nicht dein Rechtsgefühl der verbindliche Maßstab, sondern die für die Mehrheit konsensfähigen Gerechtigkeitsvorstellungen aller Einzelnen. Sicher steht am Ende doch ein Mensch da, der das Maß auch nimmt, aber dafür ist er ja auch genau das geworden: Richter.

Franz577 
Fragesteller
 29.10.2014, 17:31
@Droitteur

Es wird sich vor Gericht wohl keiner selbst belasten. So weit reicht meine Liebe zur Wahrheit dann doch nicht. Wer würde nicht lügen, wenn es für ihn zum Vorteil ist? Nicht umsonst ist das Lügen vor Gericht auch straffrei, wenn man sich durch die Wahrheit selbst belasten würde.

Und weil du hier die Mehrheit anführst: Es wäre mal eine Umfrage interessant, die lauten würde "Was würden sie tun, wenn ihnen jemand grundlos ins Gesicht schlägt".

Ich würde eine hohen Geldbetrag mit dir wetten, daß die Mehrheit sofort mit "zurückschlagen" antworten würde. So viel zu Gesetzen, die sich nach dem Rechtsempfinden der Mehrheit ausrichten.

Droitteur  29.10.2014, 17:44
@Franz577

Es wird sich vor Gericht wohl keiner selbst belasten? Natürlich nicht! Wie ich selbst schon angedeutet habe: Um dich selbst durchzusetzen, ist alles recht - da ist zB Lügen auch nicht strafbar. Aber du meinst ja, man wäre dazu gezwungen, um deine Vorstellung von Gerechtigkeit durchzusetzen.

"So viel zu Gesetzen..." - ich wäre nicht überrascht, wenn du auch genauso viel Zeit vorher mal über diese "Mehrheit" nachgedacht hast 0o "So viel dazu" also - lies doch ein paar Bücher, wenn du schon nicht vom stammttischartigen Diskutieren wegkommst, die fühlen sich von solchen Gedanken nicht beleidigt. Auch hier dürfte wieder deutlich werden: Es ist einfach, sich deiner Umfragemehrheit anzuschließen - dass die entscheidenden Leute das anders beurteilen, erfordert offensichtlich einiges mehr, als es sich einfach zu machen.

Was Dinge wie Ohrfeigen angeht, die du in einer Umfrage ansprichst, lebt kein Richter hinter dem Mond. Und trotzdem erfüllt eine Umfrage nicht den Maßstab, den ich oben genannt hab.

Franz577 
Fragesteller
 29.10.2014, 17:55
@Droitteur
Aber du meinst ja, man wäre dazu gezwungen, um deine Vorstellung von Gerechtigkeit durchzusetzen.

Nenn es wie du willst. Wenn Wut nicht akzeptiert wird, dann müßte ich bzw. müßte sich mein Anwalt eben etwas anderes einfallen lassen, um meine Reaktion straffrei zu bekommen. Und das ist auch tausendfache gängige Praxis. Warum sollte also jemand, wenn er gefragt wird, warum er nach der Abwehr nochmal zugeschlagen hat sagen, daß er das aus Wut auf den Angreifer getan hat? Obwohl ich das nach wie vor für einen legitimen Grund in einer solchen Situation halte.

Droitteur  29.10.2014, 17:59
@Franz577

Das ist völlig in Ordnung, dass man sich eben etwas einfallen lässt. An der Antwort zu deiner Frage ändert das aber nichts: Zählt nicht zu den "Affekten" im Sinne des § 33 StGB. Wenn du jetzt darauf hinaus willst, dass Recht haben und Recht bekommen zwei verschiedene Paar Schuhe seien, ist das eine eigene Frage wert - an dieser Stelle aber lenkt sie nur vom Wesentlichen ab.

"Rache" gibt es in zivilisierten Ländern nicht legal. Das geht in jedem Fall über die Notwehr hinaus. Du würdest dich also für damit angerichtete Schäden VOLL verantworten müssen.

Wenn sich in dir eine "enorme Wut" aufbauen kann, solltest du vorsichtshalber mal zu einem Nervenarzt gehen

Franz577 
Fragesteller
 29.10.2014, 12:57
Wenn sich in dir eine "enorme Wut" aufbauen kann, solltest du vorsichtshalber mal zu einem Nervenarzt gehen

Soll das jetzt ein Witz sein, oder was? Sag mir nicht, daß sich in dir keine enorme Wut aufbauen würde, wenn dir z.B. jemand grundlos ins Gesicht schlagen würde.

kayo1548  29.10.2014, 15:01
@Franz577

Mag ja sein; aber das ist durchaus etwas, das man kontrollieren können sollte.

Wenn dich jemand doof anmacht hast du ja evtl auch eine Wut (was völlig nachvollziehbar ist); aber einfach draufhauen geht nicht.

Droitteur  29.10.2014, 15:49
@Franz577

Stell dir doch zB mal einen Mann in einem guten Restaurant vor oder jemand mit großer Verantwortung in der Öffentlichkeit: Bekommt so einer was ins Gesicht und rastet darüber aus, macht er sich doch vollkommen lächerlich. Das lässt sich alles sehr viel eleganter und gleichzeitig eindrucksvoller lösen.

Franz577 
Fragesteller
 29.10.2014, 15:51
@kayo1548

Mag ja sein; aber das ist durchaus etwas, das man kontrollieren können sollte.

Ja, man sollte viel. Aber Menschen sind eben Menschen mit menschlichen Reaktionen. Wut und die Folgen daraus gehören auch dazu. Nicht jeder kann seine Wut so gut im Griff haben, aber ist man ein Straftäter, nur weil man ganz normale menschliche Reaktionen zeigt (die der andere ja nicht hätte provozieren müssen).

Hättest du dich so gut im Griff, daß du nicht körperlich reagieren würdest, wenn dir jemand grundlos eine betoniert?

Wenn dich jemand doof anmacht hast du ja evtl auch eine Wut (was völlig nachvollziehbar ist); aber einfach draufhauen geht nicht.

Hab ich ja auch nie behauptet, denn eine doofe Anmache ist kein körperlicher Angriff. Wobei man sich aber sogar gegen Angriffe auf die Ehre körperlich wehren darf.

Franz577 
Fragesteller
 29.10.2014, 15:53
@Droitteur
Bekommt so einer was ins Gesicht und rastet darüber aus, macht er sich doch vollkommen lächerlich.

Finde ich absolut nicht! Wäre für mich eine völlig nachvollziehbare Reaktion.

Kohl hat damals auch so auf einen Eierwurf reagiert. Fand ich irgendwie auch verständlich, denn auch gegen Angriffe auf die Ehre darf man sich wehren.

Droitteur  29.10.2014, 16:03
@Franz577

Was hat Kohl damit zu tun? Sicher kann man auch "so" reagieren, man kann es aber auch "anders" machen - "so" reagieren kann jeder, da hebt sich der "andere" konsequenterweise positiv ab, das kann nämlich nicht jeder.

Franz577 
Fragesteller
 29.10.2014, 17:23
@Droitteur
Was hat Kohl damit zu tun?

Weil du das Beispiel mit einer Person aus der Öffentlichkeit gebracht hast. Kohl hat damals auch mit körperlicher Gewalt auf den Eierwurf reagiert. Fand ich absolut nachvollziehbar.

Droitteur  29.10.2014, 17:25
@Franz577

Schon recht, Kohl ist freilich kein unpassendes Beispiel. Und ja: Nachvollziehen kann man es.

DerHans  29.10.2014, 17:29
@Franz577

Dann kann dich deine Wut aber auch mal in den Knast bringen. Da wäre der Nervenarzt doch die bessere Option

Was heißt hier "Ehre"? Als nächstes kommt dann der "Ehrenmord" ???

john4711  29.10.2014, 17:37
@DerHans

Was heißt hier "Ehre"?

Nun, auch die Ehre ist ein von der Rechtsordnung grundsätzlich geschütztes Gut. Aber das rechtfertigt natürlich nur Notwehr und keine Rachehandlungen.

Franz577 
Fragesteller
 29.10.2014, 17:41
@DerHans

Dann kann dich deine Wut aber auch mal in den Knast bringen.

Klar, nur weil man jemandem nach einem abgewehrten Angriff noch eine mitgibt, wandert man gleich in den Knast. Wenn sogar einer mit Bewährung davonkommt, weil er einen jugendlichen Räuber bei der Flucht(!) erschossen hat.

Und ich beziehe mich auf deine Aussage, daß man zu einem Nervenarzt soll, wenn sich in einem eine enorme Wut aufbauen kann. So ein Schwachsinn! Als ob Wut nicht eine ganz normale Reaktion auf Provokation oder Angriff wäre. Und sag mir nicht, daß du in deinem Leben noch nie eine Stinkwut im Bauch hattest (warum auch immer). Was ist, wenn dir einer eine reinschlägt, dein Auto zerkratzt und vielleicht auch noch deine Frau angrapscht? Baut sich dann vielleicht eine Wut in dir auf? Na dann nichts wie ab zum Nervenarzt!

Was heißt hier "Ehre"? Als nächstes kommt dann der "Ehrenmord" ???

Du neigst anscheinend gerne zu Übertreibungen. Aber bitte, wenn du es mir nicht glaubst, dann informiere dich mal über die Rechtslage. Auch ehrverletzende Angriffe (also Beleidigungen) darf man durch körperliche Gegenwehr beenden, wenn kein milderes Mittel diesen Angriff beenden würde.

kayo1548  29.10.2014, 18:26
@Franz577

" Aber Menschen sind eben Menschen mit menschlichen Reaktionen"

richtig - auch Mord und co ist menschlich aber trotzdem ist es strafbar. Und das in Kombination mit anderen gesellschaftlichen und kulturellen DIngen zeigt offenbar Erfolg:

Verglichen mit vor einigen hundert Jahren sind solche Sachen massiv zurück gegangen.

"Hättest du dich so gut im Griff, daß du nicht körperlich reagieren würdest, wenn dir jemand grundlos eine betoniert?"

ja, das hätte ich.

"Hab ich ja auch nie behauptet, denn eine doofe Anmache ist kein körperlicher Angriff"

der Angriff ist hier ja aber auch nicht mehr gegenwärtig gegeben.

. Wobei man sich aber sogar gegen Angriffe auf die Ehre körperlich wehren darf."

richtig, wobei es hier aber sehr problematisch bzgl Erforderlichkeit und auch Gegenwärtigkeit ist.

Franz577 
Fragesteller
 30.10.2014, 07:33
@kayo1548

richtig - auch Mord und co ist menschlich aber trotzdem ist es strafbar.

Der Vergleich mit anderen Straftaten oder gar Kapitalverbrechen ist unsinnig, weil das meist geplante Handlungen mit hoher krimineller Energie sind. Du wirst doch nicht ernsthaft einen bisher unbescholtenen Menschen, der nur auf einen unrechtmäßigen körperlichen Angriff reagiert oder aus verständlicher Wut den Rahmen der reinen Notwehr etwas überschreitet mit irgendwelchen Schwerverbrechern gleichsetzen, oder?

Wut über einen Angriff ist etwas, das man ganz automatisch bekommt und das sich nicht steuern läßt. Ebensowenig die unmittelbar darauf folgenden Reaktionen. Das muß man Opfern eines Angriffes nunmal zubilligen. Sie waren es ja nicht, die sich rechtswidrig verhalten haben, sondern ihre "Tat" war nur die Reaktion auf rechtswidriges Verhalten. Das Recht eines Menschen auf körperliche Unversehrtheit ist in dem Moment untergeordnet, sobald er einen anderen Menschen unrechtmäßig angreift. Opferrechte vor Täterrechten! Oder etwa nicht? Und das Opfer bleibt immer das Opfer und wird nicht zum Täter, nur weil es sich wehrt oder dem Täter vielleicht körperlich überlegen ist.

ja, das hätte ich.

Schade, daß wir es nicht ausprobieren können. Würd ich immer gern sehen bei Leuten, die das behaupten.

der Angriff ist hier ja aber auch nicht mehr gegenwärtig gegeben.

Was aber nichts daran ändert, daß die Wut beim Angegriffenen voll entfacht ist.