Deutsch Debatte - Gedichtinterpretation Pro & Contra

3 Antworten

Gedichte bedienen sich einer Metasprache. Sie sind nicht dazu da, einen Tatbestand wie ein klarer Gesetzestext auszudrücken. Sie erzeugen Stimmungen, nutzen Bilder und Metaphern, brechen die Sprache, um eine Emotion noch defferenzierter auszudrücken, entziehen sich dabei aber oft dem direkten Verständnis. Sie müssen geöffnet werden, wie eine verschlossene Schatztruhe.

Eine Interpretation schult den Interpretierenden dabei, besser mit Sprache umgehen zu können, vor Sprache nicht nur die Vermittlung von Fakten zu erwarten, Wörter und Sätze nicht nur als Informationswerkzeuge zu begreifen, sondern als Instrument, mit dem man Gefühle, Wünsche und Träume in Sprachmusik verwandeln kann.

Wer Gedichte verstehen kann, bewegt sich auf einer elaborierteren Sprachebene als einer, der nur Tatbestände benennen kann.

Gedichte sind nämlich ein ebenso wichtiger Teil des Erlebens wie Sinfonien, Bilder, Kunstfotografien und Bauwerke. Leider ist uns dieses Bewusstsein seit der Romantik stückweise abhanden gekommen, und zwar durch die krude Notwendigkeit, in der harten Welt des Kapitalismus alle Emotionen unterdrücken zu müssen, um bestehen zu können. In dieser Welt ist für die irrationale, emotionale, wunderbare Sprachwelt von Gedichten nur noch wenig Platz. Da geht es (wie auch der Claim von FOCUS lautet) nur noch um "Fakten, Fakten, Fakten".

Es wäre schön, wenn sich die Politiker wenigstens daran halten würden – aber das ist eine andere Geschichte.

Voraus.

Pro:

Gedichte schulen die Interpretationsfähigkeit. Da die wenigsten Leute direkt sagen, was sie meinen, muss man meistens rätseln, was hinter einer Aussage stecken könnte. Das kann man an Gedichten wunderbar trainieren. Außerdem schulen sie den Umgang mit der Sprach allgemein, sind Teil unserer Kultur und Nahrung für die Seele. Ein Leben ohne Gedichte wäre wie ein Leben ohne Mops, möglich, aber sinnlos. ;-)

Contra:

Die, die es nicht können, finden Gedichte nicht realitätsnah genug. ;-))

Ich bin FÜR das Lesen und Behandeln (in welcher Form auch immer !) von Gedichten !

Ich bin GEGEN das Zu Tode-Analysieren von Gedichten !

Interpretationen hemmen nicht nur extrem etwaigen Lese-Genuss; sie verleiten auch oft zu "unaufrichtigen" Deutungen insofern, als Schüler oft das zu schreiben versuchen, was der Lehrer lesen / hören will !

Man lese entsprechende hooochinteressante Aufsätze von Hans Magnus Enzensberger, Martin Walser u.a. !

pk