Bismarck- Schmied der deutschen Einheit oder friedensfeindlicher Machtpolitiker?

5 Antworten

Bismarck war weder der "Schmied der deutschen Einheit" noch ein "friedensfeindlicher Machtpolitiker"!

1. Bismarck war Preuße durch und durch. Ihm ging es darum, mit seiner Politik seinen Herrn, König Wilhelm, und Preußen in Deutschland und Europa mächtig zu machen. Er ererbte politisch das Ringen zwischen Preußen und Österreich um die Macht in Deutschland. Mit seiner Politik und seinen Kriegen wollte er keineswegs in erster Linie die "deutsche Einheit", sondern er wollte Österreich aus Deutschland herausdrängen und damit die preußische Vormachtstellung absichern. Das ist ihm 1866 gelungen, auch wenn er zunächst die süddeutschen Staaten nur durch Handels- und Bündnisverträge an Preußen binden konnte. Erst der Krieg gegen Frankreich eröffnete Bismarck den nächsten Schritt, auch politisch ein Deutsches Reich - ohne Österreich! - zu bilden, die sog. "kleindeutsche Lösung". Das Deutsche Reich war ein Staatenbund, präziser: ein Fürstenbund. Der "Souverän" im Reich war nicht Preußen oder der Kaiser, sondern der Bundesrat, allerdings war Preußen der größte und wirtschaftlich stärkste Staat und hatte insofern eine hegemoniale Stellung, die Bismarck auch verstand, den anderen deutschen Staaten gegenüber zur Geltung zu bringen.

2. Ja, Bismarck war Machtpolitiker, ohne Frage (vgl. 1.). Aber er war weder kriegslüstern noch friedensfeindlich! Zwar scheute er vor Kriegen nicht zurück, um politische Ziele zu erreichen, und er sah in Kriegen eine legitime Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Aber wenn er seine Ziele erreicht hatte, dann war ihm daran gelegen, Frieden zu halten und Preußen bzw. dem Norddeutschen Bund und später dem Deutschen Reich eine nach Außen und nach Innen ruhige Entwicklung zu ermöglichen.

MfG

Arnold

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich arbeite als Historiker.

Danke für die sehr gute Antwort. Schön, daß es unter den gutefrage.net-Teilnehmern auch noch Leute mit guter Sachkenntnis und Intelligenz gibt, die gescheite Antworten verfassen können (und das auch noch ohne Rechtschreibfehler)!

Eine Anmerkung sei aber gestattet: Das (2.) Dt. Reich (von 1871) war kein Staatenbund (wie der Deutsche Bund von 1815), sondern ein Bundesstaat (wie etwa auch die BRD und das SRI).

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Ich habe leider nur noch ein bisschen Wissen aus der 9.Klasse Geschichtsunterricht über Bismark, aber "friedensfeindlich" ist das letze Wort, mit dem ich seine (Außen-)Politik beschreiben würde. Letztlich hat er immer wieder Bündisse so in Takte gehalten, dass es unter ihm nie zum ersten Weltkrieg hätte kommen können. Erst als er nicht mehr da war, um die Beziehungen zu erneuern brachen die Bande auseinander und Deutschland schlitterte in die Isolierung. Aus militärischer Sicht absolut dämlich von seinen Nachfolgern seine Politik nicht zu verfolgen. Deutschland und Österreich waren umgeben von anderen Großmächten, man hätte mit einem Zweifrontenkrieg rechnen müssen.

Daher ganz klar "Schmied der deutschen Einheit", einfach durch Ausschlussverfahren.

"Schmied der deutschen Einheit" kann man jedoch auch ausschließen: Durch den preußischen Sieg über den deutschen Bund und den Ausschluß Österreichs von den deutschen Angelegenheiten 1866 war Bismarck der Zerstörer der deutschen Einheit und "Schmied der (bis heute fortbestehenden) deutschen Teilung".

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@JoDaTr

Ich dachte nur, eine der beiden Antworten müsste richtig sein und da bei mir nur Bismarks Außenpolitik hängengeblieben ist habe ich nach dem Ausschlußverfahren geurteilt. Aber mit Arnoldbentheims Antwort gibt es ja eine wesetlich Umfangreichere. ;)

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Er war Schmied der deutschen Einheit, wenngleich er nicht deutscher Nationalist, sondern preußischer Loyalist war. Um die preußische Machtstellung auszuweiten durchbrach er den deutschen Dualismus zwischen Preußen und Österreich, was die Voraussetzung für die deutsche Vereinigung war.

Er war somit auch ein Machtpolitiker. Doch generell "friedensfeindlich" kann man ihn deshalb nicht nennen. Vor der Vereinigung hatte er nicht aus Selbstzweck, aber zur Erweiterung des preußischen Einflusses Kriege provoziert oder riskiert. Danach war er jedoch am Frieden interessiert, was sich in seinem aufgebauten Bündnissystem niederschlug sowie seiner Abneigung gegenüber einem deutschen Kolonialismus, den er letztendlich widerwillig auf äußeren Druck hin betreiben musste.

Bismarck war ein konservativer Politiker, der auf autoritäre Weise von Oben die Einheit Deutschlands bewerkstelligte, dabei die Rechte und Privilegien des Adels, insbesondere der Hohenzollern nicht vergaß, vielmehr begünstigte.

Da er ja das heutige Deutschland im Grunde durch die Kriege gegen Dänemark, Österreich und Frankreich begründet hat, würde ich mal sagen "beides".