Bestes Zeitalter der Menschheit?

6 Antworten

Was verstehst du unter "einfach"? Möglichst wenig tun müssen für einen möglichst hohen Lebensstandard? Dann wirst du kaum über die letzten paar Jahrzehnte in der westlichen Welt hinaus kommen.

Das einfache Leben, von dem viele träumen, wenn sie an die Vergangenheit denken, war in der Regel hart. Lange Arbeitszeiten, schwere Arbeit, wenig Bildung. Einfach war, dass man kaum Entscheidungen zu treffen hatte, was man tat, war von Befürfnissen und Gesellschaft vorgegeben.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Studium und 17 Jahre Berufserfahrung

Ich liebe alles über 1950.... Ich wünschte mir ich hätte damals gelebt und nicht heute.

Von der gesamten Menschheit kann man nie sprechen. Aber ab den 60er Jahren war das Leben in der BRD sehr einfach und wohlhabend als das Wirtschaftswunder Einzug nahm, jedoch auf Kosten der DDR und anderer ärmerer Staaten. Wo es Sieger gibt, gibt es immer auch Verlierer.

Das Leben in der DDR war jetzt aber auch nicht sooo schlecht, wenn man sich dem System fügte und nicht in die Fänge der Stasi geriet. Es bleibt aber ein zweischneidiges Schwert.

Wo bitte haben denn die Menschen in der Bundesrepublik auf Kosten der Bürger im Osten gelebt?

Das Leben war für die Familie eines einfachen Arbeiters auch im Westen nicht leicht. Jedes bisschen Wohlstand war hart erarbeitet.

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Ganz klar das heutige. Wir haben (zumindest hierzulande) Strom, fließendes Wasser, Nahrung, medizinische Versorgung, Demokratie, Zugang zu Bildung und Information. 

Aller Nostalgie für vergangener Zeiten zum Trotz: Wir haben noch nie so gut gelebt. 

Trotzdem macht uns dieses gute Leben krank. Allergien, Antibiotikaresistenzen, Lebensmittelunverträglichkeiten, Adipositas, Krebs... Um nur einige zu nennen. Die Menscheit wird immer bequemer und schwächer. Und vor allem immer blöder.

Dann bewegen wir uns auf eine neue soziale Frage zu, Ausbeutung von schwächeren und hierzulande gerade jungen Leuten ist allgegenwärtig, es herrscht große soziale Ungerechtigkeit, die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander, wir zerstören unseren Planeten durch Umweltverschmutzung und müssen Angst vor einem radioaktiven Supergau oder einem Atomkrieg haben. Und dann ist da noch das Problem mit dem Klimawandel...

Ich halte diesed Zeitalter für das zwar derzeit angenehmste, da srimme ich dir vollkommen zu, aber mit den verheerendesten und schrecklichsten Zukunftsaussichten aller Zeiten.

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@MarkusKapunkt

Die Menschen in den vergangenen Zeitaltern waren aber auch alle der Meinung, dass sie die schrecklichsten Zukunftsaussichten seit Menschengedenken haben.

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@MarkusKapunkt

Ok, dann im einzelnen:

Allergien, Antibiotikaresistenzen, Lebensmittelunverträglichkeiten, Adipositas, Krebs.. hindern uns nicht daran, immer älter zu werden. Kannst du dich z. B. noch an Karies erinnern? Und welche Folgen er für den ganzen Organismus haben konnte? Seitdem jeder Zahnpasta Fluor zugesetzt wird, ist er heute kein Thema mehr.  Ein Zeichen von Schwäche?

Und vor allem immer blöder. Du scheinst dich nicht mit dem Flynn-Effekt auseinandergesetzt zu haben.IQ-Tests müssen regelmäßig schwerer gemacht werden, um den gewünschten Durchschnitt von 100 zu halten. Würdest du heute einen machen, der 1950 aufgesetzt wurde, dürfte der die Hochbegabung attestieren. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die Verfügbarkeit aller möglichen Informationen durch das Internet irgendjemanden dümmer macht. 

Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander - Was ist arm, was ist reich?  Ich gehöre heute zu den Ärmsten der Gesellschaft, bin Harzer. Trotzdem würde ich nicht mit dem Status tauschen wollen, den mein gut verdienender Vater noch 1970 hatte. Ich habe Fernwärme, DSL, 30 Programme (die ich gucke), ein riesiges Angebot spottbilliger Lebensmittel und kann mir aussuchen, was und ob ich arbeite. 

Wir zerstören unseren Planeten. Ach Gottchen, wirklich? Wir machen einen Gesteinsklumpen kaputt? Aber zur Sache: Die Umweltbedingungen haben sich allein in meiner Lebenspanne entscheidend verbessert. Man kann wieder in unseren Flüssen schwimmen, der saure Regen wurde durch Entschwefelungsanlagen gebannt, Katalysatoren und Feinstaubfiltern habe den Autoverkehr viel erträglicher gemacht und der Wald wächst in ganz Europa. 

Radioaktiver Supergau. Lies dir doch mal das Wiki Strahlenangst durch! Informiere dich, was Fachleute, Physiker, über die Strahlenangst und die Gefährlichkeit der Kerntechnik denken. Vergleiche die tatsächlichen Todeszahlen und die Prognosen der WHO zu möglichen Folgeschäden von Fukushima mit dem, was die deutsche Medienlandschaft daraus macht.  

Klimawandel. Oh ja, die Temperaturen sind seit dem Zeitpunkt, seit dem man genügend Messstationen hat, um eine Weltdurchschnittstemperatur auszurechnen, um 0,6 Grad gestiegen, also um ein sattes Hundertstel jedes Jahr im Schnitt. Allein heute morgen sind lt. meinem Thermometer die Temperaturen in 3 Stunden um 2 Grad gestiegen, das hat die Erderwämung in 150 Jahren nicht geschafft.) Der Anstieg liegt komplett innerhalb der natürlichen Varianz. Die bedrohliche Erderwärmung in den Medien gibt es noch nicht ganz so lange, erst seit 1986, das sind nun 30 Jahre. Von Anfang an bis heute liegt die Bedrohung aber immer in der Zukunft, die Gegenwart hat sie nie erreicht. Wenn dann gibt es eine echte wirtschaftliche Gefahr für unseren Standort, nämlich durch die Energiewende. 

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@FelixLingelbach

Ein langer Beitrag. Nur dazu:

Und vor allem immer blöder. Du scheinst dich nicht mit dem Flynn-Effekt auseinandergesetzt zu haben.IQ-Tests müssen regelmäßig schwerer gemacht werden, um den gewünschten Durchschnitt von 100 zu halten. Würdest du heute einen machen, der 1950 aufgesetzt wurde, dürfte der die Hochbegabung attestieren. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die Verfügbarkeit aller möglichen Informationen durch das Internet irgendjemanden dümmer macht. 

"Blöder" bedeutet nicht unbedingt "geringere Intelligenz", sondern vornehmlich geringeres Wissen und die Unfähigkeit - oder die Unwilligkeit? -, sich fehlendes Wissen selbständig anzueignen. Das trifft selbst und zunehmend auf die Gruppierung zu, die eigentlich zu den sog. "Intellektuellen" in unserer Gesellschaft gezählt wird: die Studenten. Immer weniger Studenten sind in der Lage, außerhalb des Internets zu recherchieren, umfangreichere Bücher verständnisvoll zu lesen und inhaltlich korrekt zusammenzufassen. Die schriftlichen Arbeiten der Studenten zeigen, dass die Beherrschung der Muttersprache abnimmt und große Schwierigkeiten bestehen, wissenschaftliche Sachverhalte sinnvoll gegliedert und verständlich darzustellen - häufige Rechtschreib- und Grammatikfehler habe ich dabei noch nicht einmal in meine Beurteilung miteinbezogen. Die Beherrschung der Sprache in Wort und Schrift gehört zu den elementaren Kulturtechniken der Menschheit! Wer diese Kulturtechnik immer weniger beherrscht, ist eigentlich nicht studierfähig und mit "blöd" im Sinne des Vorhandenseins einer elementaren Schwäche noch freundlich
charakterisiert!  :-)

Und die Studenten sind nur die sog. "Spitze des Eisbergs". Viele nichtgymnasiale Schüler können den Inhalt kurzer Textabschnitte inhaltlich nicht mehr verstehen, geschweige denn mit eigenen Worten wiedergeben.

Kurz: wir haben es mit einer Bildungskatastrophe zu tun. Das Blöde dabei ist, dass diese mit einer vernünftigen Bildungspolitik und mehr Engagement der Eltern leicht vermieden werden könnte. Aber allen Verantwortlichen fehlt irgendwie derWille dazu, und das ist noch blöder.  :-))

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@ArnoldBentheim

Hervorragend (wie eigentlich immer), ArnoldBentheim ! Deine Reflexionen bezüglich der Bildungskatastrophe kann ich aus 41 Jahren Lehrer-Dasein (vor allem SEK II) nur bestätigen. Du siehst, das Wort "nichtgymnasiale" würde ich sogar ausklammern wollen !!

pk

Meine harsche Kritik an der deutschen Schul-/Bildungspolitik zieht sich wie ein roter Faden durch GF...

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@ArnoldBentheim

Muss man aber in Relation zur ständig gestiegenen Quote der Studienberechtigten sehen. Die liegt heute bei satten 49 Prozent. Gut möglich, dass die wirklich guten Studenten mehr geworden sind aber trotzdem weniger auffallen.

Ein bisschen habe ich die Debatte über unsere Bildungsmisere verfolgt. Die jungen Leute heute sollen andere Qualitäten haben, wird dagegen gehalten. Selbstbewusster und kommunikationsstärker sollen sie z. B. sein. (Was du natürlich gern mit 'nervender' gleichsetzen darfst ;-) 

Bei den mittleren Bildungsabschlüssen, mit denen arbeite ich gerade, fällt mir folgendes auf. Einerseits das was du sagst, nämlich dass die Arbeit mit Texten für viele eine unüberwindbare Hürde darstellt, andererseits dass es viele blitzgescheite Migrantenkinder gibt, ich unterrichte Mathe, die es nur deshalb nicht zur Hochschulreife gebracht haben, weil sie durch ihre Eltern benachteiligt waren (m. M. n). Die Eltern wissen nicht um die entscheidende Rolle, die ihnen in unserem Schulsystem zukommt und wenn doch, können sie sie nicht erfüllen. Bei der autochtonen Besatzung scheint es andersrum zu sein. Hier pushen und machen die Eltern, bis das Kind wenigstens mit Fachabi nach Hause geht. Ich halte viele für overachiever, besonders die Mädchen, denen unsere Schule entgegenkommt. 

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@FelixLingelbach

Die jungen Leute heute sollen andere Qualitäten haben, wird dagegen gehalten. Selbstbewusster und kommunikationsstärker sollen sie z. B. sein.

Das deckt sich mit dem, was ich bei uns im Fach erlebe. Strotzdend vor Ego, aber nicht den Hauch einer Ahnung, wie man wissenschaftlich arbeitet. Die Dozenten an der Uni sehen das natürlich meist anders.

Jetzt mag es Fächer geben, in denen das nicht weiter weh tut, ich frage mich nur, wo die sind. Bei uns jedenfalls geht eine Generation vor die Hunde.

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Ludwig, der Zweite hat auf seinen Schlössern sehr komfortabel gelebt (besser als wir heute), obwohl Strom und Telegraphie damals noch Luxus waren. Da musst du nur mal Schloss Neuschwanstein besuchen.

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@Rowal

Er hatte es ganz nett. Gute Hütte, nette Lage. Eine Dusche hatte er aber nicht, auch keine Bananen, Orangen, noch nicht einmal ne Pizza konnte er sich leisten. Probleme hatte er aber ganz andere:

Ludwigs geheimes Tagebuch, das 1925 durch den Stiefsohn des Ministers Johann von Lutz herausgegeben wurde, bietet Hinweise für homosexuelle Neigungen des Königs.

Hätte er heute kein Problem mit.   

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Vieleicht am Ende der Jungsteinzeit in Europa, als es gerade mit der Bronzeverarbeitung losging. Damals gab es noch nicht so viele Menschen, es gab noch einen Einklang mit der Natur und trotzdem hielt eine fortschrittlichere Technologie allmählich Einzug. Außerdem gibt es keine Anzeichen dafür, dass damals bereits Kriege geführt worden sind. Du hast nur für deine Familie leben müssen und warst wirklich frei. 

Ende der Jungsteinzeit? So vor 5000 Jahre gab es einen sehr einschneidenden Klimawandel. Die Sahara entstand, ebenso die Wüsten im arabischen Raum. Was hat man wohl mit aus der Bronze gemacht? Hübsche Statuen? 

Die Menschen werden den für archaische Völker typischen Schnitt an gewaltsamen Todesursachen gehabt haben: jede zehnte Mann starb durch Gewalt, Frauen dafür im Kindbett. Durchschnittsalter über alle vielleicht 35, eher weniger. Nur sehr wenige wurden richtig alt.

 

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@FelixLingelbach

Durchschnittsalter über alle vielleicht 35, eher weniger. Nur sehr wenige wurden richtig alt.

Das ist falsch. In das niedrige Durchschnittsalter ist die hohe Kindersterblichkeit eingerechnet. Wer seine ersten Lebensjahre überstand und als Frau das gebährfähige Alter, hatte ordentliche Chancen, alt zu werden.

jede zehnte Mann starb durch Gewalt,

Wo hast du denn solche Zahlen her? Gerade in Mitteleuropa haben wir in Anbetracht der hohen Zahl von Waffen und der sich entwickelnden Wehrtechnik überraschend wenige belegte Verletzungen. Was natürlich nur bedingt aussagekräftig ist, da uns sämtliche Pathologien an Weichteilen fehlen. Nur sind diese 10% keine belegbare Aussage!

Ich würde auch nicht in der Bronzezeit leben wollen, aber das kann man so nicht stehen lassen.

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@Jerne79

'Kindersterblichkeit mit eingerechnet' meinte ich mit 'über alle'. Wie alt konnte man in der Jungsteinzeit werden? Ohne Zähne? Ohne medizinische Versorgung? Da dürfte kaum jemand die 50 überschritten haben. Ich bin nun 60 und wurde gerade die letzten Jahre doch einige Male erfolgreich repariert, sonst wäre ich längst tot. Stürbe ich jetzt, hieße es, er ist viel zu früh von uns gegangen. 

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@FelixLingelbach

1. Du kannst nicht einfach Zahlen aus Naturvölkern auf das Mitteleuropa der Vorgeschichte übertragen. Wir haben genug eigene archäologische Quellen.

2. Zum einen reden wir hier von der Bronzezeit, nicht vom Neolithikum, und was das durchschnittliche Sterbealter betrifft, ist das in der Tat ein Unterschied. Mit der Seßhaftwerdung sinkt nämlich erstmal die Lebenserwartung, fängt sich dann und steigt wieder an.

Zum anderen funktioniert fröhliches Spekulieren einfach nicht. Statt mit der durchschnittlichen Lebenserwartung solltest du dich mal mit dem tatsächlichen Sterbealter Erwachsener in der Vorgeschichte beschäftigen, das ist ein deutlicher Unterschied. Schon im Paläolithikum hatte man eine faire Chance, über 70 zu werden. Der Knick im NL, wieder aufwärts danach. Klapper die Publikationen zu Gräberfeldern und Bestattungen ab, du wirst dich wundern. Wenn wir dann in geschichtliche Zeiten kommen, brauchen wir uns nicht einmal nur auf die Anthropologie verlassen, da haben wir Totenbücher und Co., die uns zeigen, wie steinalt man im Mittelalter werden konnte, wenn man an Kindersterblichkeit und Seuchen vorbeikam. Starben mehr Menschen jung als heute? Sicher. Aber das heißt nicht, dass es keine Alten gab.

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@Jerne79

Guck dir mal an, was der Steven Pinker dazu sagt, ist ungefähr in der Mitte. 

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@FelixLingelbach

Sorry, aber ich bleibe lieber bei den anthropologischen Auswertungen meiner Kollegen in der Archäologie.

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@Jerne79

Was sagen die denn zum Anteil der Männer, die durch Gewalteinwirkung gestorben sind? Im Mittelalter z. B.? Würde mich interessieren. Und wie groß war denn die Chance, 70 Jahre alt zu werden? Im Jungpaläolthikum, im Neolithikum, im Mittelalter meinetwegen auch noch?

Es gibt eine Neigung, dass, was man von der Vergangenheit nicht weiß, zu romantisieren. Und ich neige dazu, dir das zu unterstellen.

Steven Pinker ist nicht irgendwer. Googel ihn doch mal! Oder guck dir das an:

https://www.ted.com/talks/steven_pinker_on_the_myth_of_violence?language=de

  

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@FelixLingelbach

Es gibt eine Neigung, dass, was man von der Vergangenheit nicht weiß, zu romantisieren. Und ich neige dazu, dir das zu unterstellen.

Aber beim besten Willen nicht! Und ehrlich gesagt empfinde ich diese Unterstellung als Beleidigung. Ich bin Archäologin, ich stütze mich auf wissenschaftliche Ergebnisse. Ich wehre mich gegen das ewige Schlechtreden einiger Fakten, die nunmal über Fehlinterpretationen zu allgemeinem Falschwissen geworden sind. Mein zweitliebstes Thema hierbei nach "die starben alle jung" ist "die waren alle klein".

Bleiben wir beim Thema.

Bestattungen mit Gewalteinwirkungen in der Bronzezeit? Abgesehen von Tollensetal sind das gerade mal eine Hand voll. Da kann man gern den Forschungs- und Arbeitsstand  kritisieren. Nicht dass ich die Bronzezeit für eine gewaltarme Zeit halte! Waffen und Wehrbauten sprechen eine ganz andere Sprache. 

Eine ganz gute Zusammenfassung der Thematik findet man im Übrigen bei F. Falkenstein, Gewalt und Krieg in der Bronzezeit Mitteleuropas, ein Aufsatz von 2006/07.

Die Lebenserwartung: Pfuh, ein weites Feld. Der Haken ist, dass es diese konkreten Zahlen, wie du sie dir wünschst, nur für Einzeluntersuchungen gibt, also mit schönen Statistiken, aus welcher Altersgruppe wie viele Bestattungen vorliegen.

In der Bronzezeit gibt es beispielsweise eine Statistik (von vielen), die von 10% spricht, die ein Lebensalter von über 50 erreichen. Allerdings: Das sind 10 % insgesamt. Der Prozentsatz ist deutlich höher, wenn man nur diejenigen betrachtet, die die ersten Lebensjahre übersteht. Anders formuliert: Der Prozentsatz an Alten in der Gesellschaft ist deutlich höher als diese 10 %. An anderer Stelle wird die Lebenserwartung mit der in heutigen Entwicklungsländern verglichen. Das mag natürlich aus heutiger Sicht alles mau sein, ist aber weit jenseits beliebter Aussagen wie "früher war man mit 30 alt" und Co.

Für das Mittelalter haben wir ungleich mehr Quellen, die aber sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob von Land oder Stadt die Rede ist, ob Epidemien ihren Eingang in den Friedhof fanden, von welcher Belegungszeit die Rede ist. Ich empfehle an dieser Stelle zum Vermeiden längerer Abhandlungen einmal einen Blick auf diese Seite: http://www.nuernberger-hausbuecher.de/

Unter den einzelnen Darstellungen findet man, sofern vermerkt, das Sterbealter der Insassen der Stiftungen. Das ist natürlich willkürlich und exemplarisch, zeigt aber die Möglichkeiten auf.

Ich tendiere hier in keinster Weise dazu, mir die Welt schönzureden. Ich bearbeite selbst gerade einen Komplex von Bestattungen, der quasi nur aus alten Menschen besteht. Das hat mich gezwungen, mich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.

Steven Pinker habe ich mir schon gegoogelt, aber wenn ich über Archäologie und Anthropologie rede, halte ich mich an die, die diese Fächer betreiben. Da kannst du mich jetzt gerne engstirnig nennen, aber die Archäologie ist inzwischen ein so unübersichtliches Fach, dass man schon ordentlich zu tun hat, wenn man bei den Fakten bei der Stange bleiben will, zumindest ich mag mich da nicht mit den Spekulationen von Fachfremden beschäftigen. Die Erfahung zeigt, dass meist aus Halbwissen Gerüste aufgebaut werden, die beim wissenschaftlichen Abklopfen nicht haltbar sind. Vielleicht komme ich demnächst dazu, mich mit dem Link zu beschäftigen.

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@Jerne79

Vielen Dank für die ausführliche Antwort.

Wie sich die Körpergrößen entwickelt haben, wusste ich schon ziemlich genau, das lässt sich ja relativ einfach bis zu den Cro Magnon zurückverfolgen. Dass man durchaus die 50 erreichen konnte, war mir ebenfalls klar. Über 70-jährige kann ich natürlich nur spekulieren. Ich würde auf 'extrem selten' tippen.

Pinker hat verschiedene, auch archäologische, Untersuchungen herangezogen, um Gewaltopferquoten zu bestimmen. Bei den noch existierenden Naturvölkern kann er 15 - 60 (!) Prozent belegen, gilt für die Männer nur.

Eia bringt Daten u. a. dem mittelalterlichen Norwegen, allerdings auch nicht sehr konkrete. Er ist von Beruf Komiker und so ist auch sein Video ein echter Genuss, wenn man sich erstmal an den Mischmasch aus Englisch und Norwegisch gewöhnt hat.  

Er hat es geschafft, mit seinem Fernsehbeitrag 'Gehirnwäsche - Das Gleichstellungs-Paradox' die gesamte norwegische 'Genderforschung' zu kippen. Dieses Video gibt es auch mit deutschen Untertiteln.

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@FelixLingelbach

Was die über 70jährigen begrifft, gibt es verschiedene Probleme, aber vor allem in der Auswertung. Sie sind anthropologisch nicht wirklich fassbar.

Generell ist es ab einem gewissen Alter schwer, noch Steigerungen bei den Alterserscheinungen festzustellen. Suturen sind irgendwann geschlossen, bei den Merkmalen an Becken und Wirbelsäule tut sich irgendwann auch nicht mehr viel, Zahnstatus (Abrieb) ist nicht verlässlich, auch wenn ihn viele nach wie vor verwenden..

Es kommen verschiedene Gruppenbildungen in der Anthropologie zum Einsatz. Bei manchen werden werden alle über 50 in eine Gruppe geworfen, bei anderen alle über 60. Subjektiv und innerhalb einer Gruppe kann man da schon noch postulieren, wer wohl noch älter ist, aber die objektiven Methoden geben nicht mehr viel her. 

Ich denke, das ist immer das Grundproblem zwischen Forschung und interessierten Laien. Die letztere Gruppe wünscht sich oft Dinge, die die Archäologie oder in diesem Fall Anthropologie nicht leisten kann.

Daher habe ich dir auch den Link zu den Hausbüchern mitgeschickt. Selbst ich war verblüfft, wie viele RICHTIG alte Männer sich darunter befinden, gerade in Anbetracht der Tatsache, dass es sich ja hier um keine priviligierte Schicht handelt, sondern um Handwerker, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben und letztlich nicht einmal besonders erfolgreich waren, sonst säßen sie am Ende nicht in der Stiftung.

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@Jerne79

Nochmals danke. Ja, ich habe mal ein bisschen in den Hausbüchern rumgestöbert. 'Krankheit: Blödes Gesicht' ist mir aufgefallen.

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@FelixLingelbach

Damit können verschiedene Augenkrankheiten gemeint sein (blöd = schwach).

Ich finde ja immer die kleinen Nebenbemerkungen nett, im Stil von "... und war ein ganz garstiger Mann, der all sein Geld für Bier und Schnapps ausgab".

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Außerdem gibt es keine Anzeichen dafür, dass damals bereits Kriege geführt worden sind.

Und deshalb basteln sie sich aus dem neuen Werkstoff als gleich mal ein paar neue Waffen, die nicht der Jagd dienen? Deshalb werden Schwerter dann zum größten Statussymbol schlechthin?

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Das Problem ist, dass wir über diese Zeit in Mitteleuropa nicht genug wissen. Es gibt aber Anzeichen, dass es auch damals schon Kriege und damit hierarchische Strukturen und irgendeine Form der politischen Organisation gab.

Hier eine recht junge archäologische Entdeckung im heutigen Mecklenburg-Vorpommern - die Schlacht im Tollensetal:

https://de.wikipedia.org/wiki/Schlachtfeld\_im\_Tollensetal

Dass dort wahrscheinlich tausende Krieger beteiligt waren, sowohl bronzezeitlich als auch steinzeitlich bewaffnet, deutet darauf hin, dass es schon damals eine politische/ideologische/wirtschaftliche Struktur gegeben haben muss, die so viele Menschen mobilisieren und versorgen konnte.

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@Ansegisel

Entschuldige, wenn ich schmunzle. Wir wissen eine Menge über diese Zeit und die Schlacht im Tollensetal ist nur die einzige bisher bekannte. Das heißt bloß nicht viel. ;)

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@Kristall08

Und dazu kommt, dass man selbst über die bisherige Auswertung von Tollensetal diskutieren müsste. Gerade die Hochrechnungen sind teils arg mutig.

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@Jerne79

Erinnert mich sehr an den Hype um Kalkriese...
Wurde dort eigentlich jemals auch nur ein einziges germanisches Teil gefunden?

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