Berufsbild Übersetzer/Dolmetscher? Wer kann mir seine persönliche Erfahrung schildern?

4 Antworten

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In den meisten Unis kann man Konferenz-Dolmetscher studieren, wenn man ein anderes Studium (wie BWL) abgeschlossen hat und die Aufnahmeprüfung schafft. Du musst mit ca. 3-4 Semestern (2 Jahren) rechnen.

Oft gibt es eine gestaffelte Aufnahmeprüfung: erst machst du eine schriftliche aufnahmeprüfung in deinen Sprachversionen (entspricht in etwa den Anforderungen des Übersetzer-diploms). Dann wirst du für ein Propädeutikum (Vorbereitungssemester) zugelassen. Dort lernst du vom Blatt übersetzen, Verhandlungsdolmetschen (kurze sätze hin und her zwischen zwei Sprachen) und die Anfänge des Konsekutiv-Dolmetschens (texte bis 4 Minuten hören, Notizen nehmen, und danach reproduzieren, in einer anderen Sprache).

Wenn du nach diesem Semester die eigentliche Aufnahmeprüfung für das Konferenzdolmetschen schaffst, kannst du mit Simultan-Dolmetschen anfangen. Da dauert es dann 2-3 Semester, (je nachdem wieviel du übest und wie begabt du bist), bis du Prüfungsreif bist.

Das studium ist sehr zu empfehlen, es bringt die kleinen grauen Zellen wirklich in Bewegung und macht spass (wenn man eine Bühnensau ist... wenn man schüchtern ist, eher weniger).

Man muss viel lernen, offen sein, neugierig sein, und das Prinzip "the show must go on" verinnerlicht haben...

Zu den Berufsaussichten: es ist ein handwerklicher (oder eher mundwerklicher) Beruf: d.h. es gibt keine Karriere, sondern man macht im Prinzip immer dasselbe, aber das ist sehr abwechslungsreich. Sicherheit hat man wenig, Dolmetscher arbeiten meist freiberuflich (ausser bei der EU). Wieviel Arbeit man hat hängt von Sprachkombination (E-D-E gefragter als andere Kombinationen), Qualität (da es in E-D-E viel Konkurrenz gibt, haben die zweisprachigen einen Vorteil) und augenblicklicher Marktsituation ab (wenn gerade alle sparen oder die EU beschliesst, weniger Dolmetsch-Tage zu verbrauchen, sieht es schlechter aus...)

Für EU brauchst du ausser Deutsch mindestens 3, besser 4 oder 5 Fremdsprachen, die in der EU gesprochen werden.

Der Beruf lässt sich ganz gut mit freiberuflichem Übersetzen kombinieren. Aber alle berufe, (und hobbies) wo du regelmässig irgendwo erscheinen musst lassen sich nicht gut mit Dolmetschen kombinieren, weil die Konferenzen fallen wie sie eben fallen, das ist sehr unregelmässig und nicht immer gut vorausplanbar... d.h. es lässt sich kombinieren mit jobs, wo du ein Plansoll abliefern musst, aber frei bist, es zu machen, wann du willst, aber nicht mit Jobs, wo du Präsenzzeiten hast...

Hi, erstmal vielen vielen Dank für die lange informative Antwort! =) Du schreibst, dass man gleich Konferenzdolmetschen machen kann, nachdem man BWL gemacht hat. Ist das ein Master oder ein Bachelor. Von der Studiendauer klingt es eher wie ein Master.

Wo kann ich das was du beschreibst denn studieren? Ich habe bisher Konferenzdolmetschen immer nur als Master gefunden und bin davon ausgegangen, dass ich es mit meinem Bachelor-Abschluss in BWL nicht studieren kann.

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@MrMcSauerkraut

Konferenzdolmetscher ist Master und baut auf ein BA in z.B. mehrsprachiger Kommunikation auf. Aber wenn du die nötigen Sprachkenntnisse hast, kannst du auch quer-einsteigen, mit bwl... Du musst dann normalerweise eine schriftliche Prüfung machen (Uebersetzungen), die etwa dem Niveau des BA entsprechen... und dann kannst du Propä anfangen... und dann kommt die eigentliche Aufnahmeprüfung...

Unis in D sind Mainz (Germersheim, Johannes-Gutenberg-Uni) http://www.fask.uni-mainz.de/

und heidelberg,

in der Schweiz Genf (FTI) und Winterthur (IUED der ZHAW)

in Österreich Wien und Graz

weitere findest du auf der Seite zu Ausbildung der aiic (internationaler Konferenzdolmetscherverband)

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@Fallschirm88

Der grund, warum die meisten Unis quereinsteiger mit guten Sprachkenntnissen zulassen ist dass Fachkenntnisse beim Dolmetschen eben auch sehr nützlich sind... d.h. wenn du dich erst auf Fachkenntnisse spezialisierst und Sprache nebenher machst (z.B. durch Auslandssemester oder so) ist das an sich nicht schlechter als umgekehrt...

Der Nachteil ist nur, dass man im Übersetzerstudium doch einiges an Übersetzungstechniken lernt und übt, und das könnte dann beim Dolmetscherstudium fehlen, wo man ja das gleiche macht, nur viel schneller...

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@Fallschirm88

...aber du darfst das Niveau nicht unterschätzen, dass du in deinen Sprachen für die Aufnahmeprüfung Konferenzdolmetscher brauchst.... Ich denke, es liegt für die aktive Fremdsprache mindestens bei C2 in allen Fächern, insbesondere auch mündlich und Aussprache... und bei der passive Fremdsprache musst du ziemlich alles verstehen.... das ist auch keine leichte Anforderung.

Ich würde schätzen, dass man das Niveau für die aktive Fremdsprache ohne längeren Auslandsaufenthalt (mindestens 6 Monate) kaum erreichen kann... Und für die passive Fremdsprache muss man sehr, sehr viel lesen, filme schauen, Radio hören, etc...

denn beim Studium geht es nicht mehr um's sprachen lernen, das war vorher beim BA, sondern darum, Dolmetschen zu lernen, und da darf einen die Sprache nicht behindern...

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Ich bin in den USA das, was man in Deutschland als staatlich geprüfte Übersetzerin bezeichnen würde, habe allerdings nie ausschließlich als Übersetzerin gearbeitet. Weiterhin bin ich schon häufig als Simultandolmetscherin für Konferenzen etc. engagiert worden. Ich hoffe, dass ich dir ein paar brauchbare Informationen geben kann.

Zur Qualifikation: mindestens C1 und jede Menge "Kulturerfahrung". Nur wenn man die Ideenwelt und Mentalität der Ausgangssprache sehr gut kennt, kann man sinnvoll übersetzen. Die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen muss selbstverständlich sein.

Für das Dolmetschen brauchst du eine hohe Konzentrationsfähigkeit und große Gelassenheit. Du musst bist zu 30 Minuten zuhören und gleichzeitig das Gesagte in einer anderen Sprache wiedergeben. Es ist sehr sinnvoll, in bestimmten Themenbereichen Expertenwissen zu haben, denn du kannst nicht nachfragen, was der Sprechende meint.

Der Beruf kann großen Spass machen, man muss allerdings in der Lage sein, sich selber zu motivieren und immer wieder kritisch zu überprüfen. Meistens arbeitet man selbständig und allein. Eine gelungene Übersetzung ähnelt einem gelösten Kreuzworträtsel, an so etwas muss man Freude haben.

Noch ein caveat: häufig treten Bekannte an einen heran und fragen, ob man "mal eben" etwas für sie übersetzen kann. Erstens geht "mal eben" nicht und außerdem kann man nicht ständig etwas umsonst machen, womit man eigentlich seinen Lebensunterhalt verdient. Daher habe ich inzwischen einen Family- and Friends Tarif, den ich auf solche Anfragen vorlege.

Was nimmst du denn so für Familien und Freunde? Und was verlangst du für "normale" Anfragen? Und würdest du wie Astrid auch sagen, dass der Markt hart umkämpft ist? Vielen Dank für deine hilfreiche Antwort! =)

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@MrMcSauerkraut

Übersetzer berechnen ihre Gebühren in der Regel auf Wortbasis. Meine Gebühren stehen in etwas so aus:

Family and Friends: $0,10/Wort, Minimum $25

Non-expert texts: $0,18/Wort, Minimum $50 (z.B. persönliche Briefe, Zeitungsartikel)

Expert texts level 1: $0,21/Wort, Minimum $50 (z.B. Urkunden, Zeugnisse)

Expert texts level 2: $0,25/Wort, Minimum $100 (z.B. medizinische, technische, juristische Übersetzungen)

Die Marktlage ist bestimmt nicht einfach. Am schwierigsten ist es, an literarische Übersetzungen zu kommen, es hilft natürlich, wenn man spezialisiert ist. Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und qualitativ hochwertiges Arbeiten sind sehr wichtig.

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Hallo,

im Allgemeinen ist mir um den Beruf des Übersetzers nicht bange. Immerhin versucht man schon lange vergeblich einen Blechtrottel dafür zu entwickeln und das wird wohl auch noch lange so bleiben. Wenn es überhaupt je gelingen wird.

Tatsache ist aber bereits jetzt, dass der Markt schwer umkämpft ist und die Branche mit Dumpingpreisen zu kämpfen hat. Mit den Einkünften eines selbstständigen Übersetzers lässt sich nur schwerlich eine Familie ernähren.

Dazu kommt, dass man dem Beruf des Übersetzers - so man geistig fit bleibt - bis ins hohe Alter von daheim aus nachgehen kann. Somit sind viele Übersetzerstellen auf lange Sicht belegt und der Nachwuchs bekommt nur schwer einen Fuß in die Tür.

Die besten Chancen hat man, wenn man sich eine Nische (seltene Fachgebiete) sucht und weniger verbreitete und aufstrebende Sprachen beherrscht (Chinesisch, Japanisch, Russisch, Spanisch).

:-) AstridDerPu

PS: Beim Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e.V. (bdue.de) sowie beim Verband deutschsprachiger Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke (VdÜ) (literaturuebersetzer.de) findest du Informationen rund um den Beruf des Dolmetschers/Übersetzers, auch zur Ausbildung und zum Studium.

Danke! =) Bist du Übersetzerin oder Dolmetscherin? Und würdest du auch Arabisch als zukunftsweisende Sprache bezeichnen?

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Ich werde jemandem Bescheid sagen, aber du musst ein wenig Geduld haben, OK?