Ballhausschwur: wer war dabei?

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Den Eid haben alle anwesenden Abgeordneten des Dritten Standes bis auf einen geleistet. Außerdem waren einige wenige Abgeordnete des Klerus beteiligt.

Die Abgeordnete des Dritten Standes waren am 12. Juni 1789 für ein gemeinschaftlich vorgenommenes Wahlprüfungsverfahren (Prüfung der Vollmachten der Abgeordneten) eingetreten.

Am 13. Juni schlossen sich ihnen 3 Abgeordnete des Klerus an, am 14. Juni zusätzlich 6, am 16. Juni weitere 10 (Jean Tulard, Frankreich im Zeitalter der Revolutionen 1789 – 1851. Aus dem Französischen übertragen von Arnulf Moser. Stuttgart : Deutsche Verlagsanstalt, 1989 (Geschichte Frankreichs ; Band 4), S. 57).

Wer darunter tatsächlich beim Ballhausschwur dabei war, wäre dann noch zu prüfen.

Der bekannteste Kleriker, der beim Ballhausschwur dabei war, ist Henri Grégoire, ein Abbé (katholischer Weltgeistlicher).

Henri Grégoire, Mémoires de Grégoire, ancien évêque de Blois, député à l'Assemblée constituante et à la Convention nationale, sénateur, membre de l'Institut. Précédés d'une notice historique sur l'auteur par Hippolyte Carnot. Paris ; Dupont, 1837, S. 379 nennt als weitere Pfarrer (Vornamen von mir ergänzt): Jacques-Joseph Besse, David-Pierre Ballard, Jacques Jallet, René Lecesve (andere Schreibweise des Nachnamens: Le Cesve).

Die Abgeordneten der Nationalversammlung (einige Tage vorher hatten sich die Abgeordneten des Dritten Standes der Generalstände zur Nationalversammlung erklärt, leisteten am 20. Juni 1789 in einer Ballsport-Halle (die ihnen als Sitzungsraum diente) einen feierlichen Eid (Ballhausschwur). Eine Kernaussage war, sich nicht zu trennen und nicht auseinanderzugehen, bevor eine Verfassung geschaffen worden sei. Der Schwur war eine symbolische Bekräftigung eines revolutionären Schrittes und in Verbindung mit der Umsetzung in erfolgreichem Widerstand gegen den König (die Abgeordneten des Dritten Standes blieben am 23. Juni trotz Aufforderung zum Auseinandergehen und Drohungen des Königs sitzen) eine revolutionäre Tat.

Ein Grund für den Schwur war eine Befürchtung, der König könne versuchen, die Nationalversammlung aufzulösen und auf einer für den 23. Juni angesetzten königliche Sitzung (séance royale) die bisherigen Schritte der Abgeordneten des Dritten Standes rückgängig zu machen. Der bisherige Sitzungssaal war abgesperrt und die Abgeordneten, die im strömenden Regen den Zutritt verschlossen fanden (angeblich für Vorbereitungsarbeiten; die Abgeordneten waren darüber bis dahin nicht informiert) waren dann in einen anderen Raum (Salle du Jeu de paume) in Versailles ausgewichen. Begeisterte Zustimmung seitens des Volkes ermutigte sie.

König Louis (Ludwig) XIV. hatte die Generalstände („États généraux“) einberufen, um Hilfe in der Finanznot (drohender Staatsbankrott aufgrund gewaltiger Verschuldung) und Unterstützung zu überlegten Maßnahmen zu bekommen. Erörterungen über die Schaffung einer Verfassung entsprachen nicht seinen Wünschen. Der König schwankte zwischen Entgegenkommen mit ein wenig Veränderungsbereitschaft und Starrheit. Ludwig XIV. wollte am Absolutismus und am Gottesgnadentum festhalten.

Die Abgeordneten des Dritten Standes hatten revolutionäre Schritte unternommen, die im Gegensatz zum Herrschaftssystem des Absolutismus und der Gesellschaftsordnung einer Ständegesellschaft standen.

Die Abgeordneten haben den Gedanken der Volksouveränität verwendet, um den Willen der Vertretung einer Mehrheit der Nation als den Willen der Nation selbst zu legitimieren (rechtfertigen) und mit der Erklärung zur Nationalversammlung begonnen, dies in die Tat umzusetzen.

Eine Nationalversammlung (Assemblée nationale) trat an die Stelle von Generalständen („États généraux“). Dies war ein Schritt gegen die Ständegesellschaft. Der Dritte Stand (Tiers état) hatte eine Abstimmung nach Köpfen, nicht nach Ständen (wobei die beiden privilegierten Stände eine Mehrheit von 2 : 1 gehabt hätten) gefordert. Dieser Streitpunkt war damals noch nicht entschieden.

Am 17. Juni 1789 erklärten sich die Abgeordneten des Dritten Standes (nach einer Abstimmung mit großer Mehrheit) zur Nationalversammlung. Die Benennung hatte Emmanuel-Joseph Sieyès vorgeschlagen, ein Abbé, der im Januar 1789 die Schrift „Qu'est-ce le Tiers État?“ („Was ist der Dritte Stand?“) veröffentlicht hatte. Dieser hat den Schritt damit begründet, nach dem Ergebnis der Wahlprüfung sei die Versammlung des Dritten Standes bereits aus Vertretern zusammengesetzt, die von wenigstens 96/100 der Nation entsandt worden seien.

Die Vertreter der anderen Stände, Klerus (clergé) und Adel (noblesse), wurden aufgerufen, sich der Nationalversammlung anzuschließen. Am 19. Juni stimmte eine knappe Mehrheit beim Klerus (149 gegen 137) dafür, sich der Nationalversammlung anzuschließen. Beim Adel war es zunächst nur eine Minderheit (80).

Ernst Schulin, Die Französische Revolution. 4., überarbeitete Auflage. München : Beck, 2004 (Beck's historische Bibliothek), S. 68 – 70

S. 70: „Ludwig XIV. beraumte erst einmal eine séance royale der Stände für den 23. Juni an, gleichsam als sei alles dazwischen nichts geschehen. Bis dahin konnte man nicht mehr tagen, da der Saal angeblich wegen Vorbereitungsarbeiten für diese Sitzung geschlossen wurde.

Aus dem Warten im Regen, der entsprechenden Wut, dem Umziehen in den Saal eines Ballspielhauses wurde am 20. Juni der Schwur, sich nicht zu trennen, bis eine Verfassung geschaffen worden sein. Dies war eine revolutionäre Tat in geradezu religiöser Ekstase, die noch gesteigert wurde, als zwei Tage später, am 22. Juni, in der Kirche St. Louis eine Vereinigung mit der Mehrheit der Geistlichen und mit einer Anzahl Adliger realisiert wurde.“

Wolfgang Kruse, Die Französische Revolution. Paderborn , München : Wien ; Zürich : Schöningh, 2005 (UTB : Uni-Taschenbücher : Geschichte ; 2639), S. 19:
„Die zur revolutionären Explosion hinführende Entwicklung nahm Fahrt auf, als Sieyés am 17. Juni 1789 die Vertreter des Dritten Standes erfolgreich aufforderte, sich als eigenständige, nach amerikanische Vorbild bald auch verfassungsgebende Nationalversammlung zu konstituieren und die Vertreter der andren Stände zum Anschluß aufzufordern. Während die Mehrheit des niederen Klerus dieser Aufforderung Folge leiten wollte, traf sie auf erbitterten Widerstand von hohem Klerus, Adel und Hof. Der König ordnete schließlich an, die Versammlung des Drittem Standes aufzulösen. Doch die Abgeordneten waren nicht mehr bereit, der monarchischen Autorität Folge zu leisten. Unter Führung des Grafen Honoré de Mirabeau und des künftigen Pariser Bürgermeisters Jean Silvain Bailly traten sie an einem anderen Versammlungsort, im Ballhaus des Versailler Schlosses, erneut zusammen und leisteten dort den berühmten Schur, „nicht eher auseinanderzugehen, bis eine neue Verfassung ausgearbeitet und auf eine sichere Basis gestellt worden ist.“ […]

Nach weiteren erfolglosen Auflösungsversuchen lenkte der König schließlich ein und forderte die Vertreter von Adel und Klerus nun doch auf, sich dem Dritten Stand anzuschließen.“

0